Bertolt Brecht - noch immer eine "Quelle der Inspiration"
Seine Werke wie "Die Dreigroschenoper", "Mutter Courage und ihre Kinder" oder "Der gute Mensch von Sezuan" kennt nahezu jedes Schulkind - Bertolt Brecht zählt zu den bedeutendsten Dramatikern Deutschlands.
Auch viele Jahrzehnte nach seinem Tod inspiriert er noch immer unzählige Künstler. So erklärte der Regisseur Ruben Östlund jüngst, dass sein mit der Goldenen Palme von Cannes geehrter Film "Triangle of Sadness" von Brecht beeinflusst war: Der Dramatiker sei eine "große Quelle der Inspiration", sagte der Schwede im Interview mit NDR Kultur.
Schon das Erstlingswerk erhält den Kleist-Preis
Der vor 125 Jahren in Augsburg geborene Brecht wurde bereits mit seinem ersten Stück "Trommeln in der Nacht" bekannt, erhielt dafür 1922 den mit 10.000 Reichsmark dotierten Kleist-Preis.
Im Gegensatz zum beruflichen Erfolg - der junge Autor verstand es glänzend, sich in der Kulturszene zu vernetzen - war das Privatleben Brechts eher chaotisch und unstet. Er hatte zahlreiche Liebesbeziehungen, oft auch gleichzeitig mit verschiedenen Frauen. Während seiner Ehe mit Marianne Zoff hatte er eine Affäre mit der Schauspielerin Helene Weigel, die von ihm 1924 auch ein Kind bekam. Drei Jahre später ließ er sich von Marianne scheiden und heiratete 1929 Helene Weigel.
Durchbruch mit der "Dreigroschenoper"
Da hatte er mit der "Dreigroschenoper" (1928) bereits den großen Durchbruch gefeiert. Das Werk, das er zusammen mit Elisabeth Hauptmann schrieb und zu dem Kurt Weill die Musik beisteuerte, war gewissermaßen das erste deutschsprachige Musical.
Noch heute sind Lieder wie "Mackie Messer" (nicht zuletzt dank Robbie Williams‘ Swing-Variante aus dem Jahr 2001) weltbekannt.
Flucht aus Nazi-Deutschland, Rückkehr in die DDR
Als überzeugter Kommunist - Mitglied in der KPD war er aber nicht - bekam Brecht jedoch schon bald Probleme mit den Nationalsozialisten, die seine Stücke zunehmend störten. Am 10. Mai 1933 wurden auf dem Berliner Opernplatz auch seine Bücher verbrannt und tagsdrauf alle seine Werke verboten.
1935 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, Brecht zog nach Dänemark, lebte später in Schweden und Finnland, ehe er in die USA emigrierte. In dieser Zeit entstanden unter anderem "Mutter Courage und ihre Kinder" und "Das Leben des Galilei". Nach dem Krieg kehrte er über die Schweiz nach Ost-Berlin zurück. Seine Frau Helene Weigel wurde 1949 Intendantin des neu gegründeten Berliner Ensembles am Deutschen Theater. Mit Brecht gemeinsam führte sie das Theater zu Weltruf.
Brechts Erfolgsrezept: Das "Epische Theater"
Brecht gilt als Begründer des "Epischen Theaters". Seine Stücke sollen zum Denken und zur Veränderung des eigenen Handelns anregen. Durch den Einsatz von Verfremdungseffekten soll die Identifikation des Zuschauers mit dem Geschehen auf der Bühne erschwert werden. Der Schluss des Stückes wird meist offengelassen.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/ Den Vorhang zu und alle Fragen offen. Aus dem Epilog von "Der gute Mensch von Sezuan"
Der Spielfluss wird häufig durch Lieder, Texte und Kommentare unterbrochen. Die Zuschauer sollen dazu veranlasst werden, eine Beobachterrolle einzunehmen und eine kritische Distanz zu entwickeln.
Sonderrolle im DDR-Kunstbetrieb
In der DDR wurde Brecht als bürgerlicher Intellektueller, der den Weg zum Kommunismus gefunden habe, kanonisiert. Dabei ordnete sich Brecht keinesfalls nur den offiziellen Kunst- und Kultur-Leitlinien der SED unter. Er suchte immer nach Freiraum für seine Selbstverwirklichung.
So genoss er eine Sonderrolle im DDR-Kunstbetrieb, der aber eine klare Abgrenzung vom "westlich-dekadenten Kunstbetrieb" forderte. 1951 erhielt Brecht den Nationalpreis der DDR. Brecht habe mit seinen Werken geholfen, "den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen".
Boykott im Westen
Anlässlich der Proteste des 17. Juni 1953 in Berlin drückte Brecht noch am selben Tag in einem knapp gehaltenen Brief an den DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht seine "Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" aus, formulierte aber gleichzeitig die Erwartung einer "Aussprache mit den Massen über das Tempo des sozialistischen Aufbaus".
Die Regierung veröffentlichte im "Neuen Deutschland" kurz darauf aber ausschließlich seine Verbundenheit zur Partei, was Brecht vor allem im Westen nachhaltig diskreditierte. Schlagartig setzten die westdeutschen Bühnen seine Stücke von den Spielplänen ab.
Inzwischen zählen Brechts Werke aber schon seit Jahrzehnten wegen ihrer Einzigartigkeit und zeitlosen Fragestellungen wieder zum Standard-Repertoire an Schulen und Theatern.
Kriegsgegner und politischer Protest
Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur der DDR gegründet, in dessen künstlerischen Beirat Brecht berufen wurde. Vor dem Hintergrund der sich immer mehr verschärfenden Ost-West-Konfrontation beteiligte sich Brecht 1955 an Diskussionsabenden in West-Berlin und betrieb die Herausgabe seiner "Kriegsfibel".
Am 21. Dezember 1954 wurde Brecht mit dem Internationalen Stalin-Friedenspreis ausgezeichnet, der ihm am 25. Mai 1955 in Moskau überreicht wurde. Brecht stellte sich im selben Jahr auch an die Spitze des Protests gegen die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO.
Theater-Erfolge auch im Ausland
Im Juni 1954 wurde Brecht zum Vizepräsidenten der Deutschen Akademie der Künste ernannt. Brecht leistete zudem in seinen letzten Lebensjahren ein gewaltiges Pensum: Zwei Inszenierungen pro Jahr als Regisseur, Mitarbeit an fast allen Inszenierungen anderer Regisseure des Berliner Ensembles sowie schriftstellerische Arbeiten jeglicher Art. Insgesamt verfasste Brecht 48 Dramen und 50 Dramenfragmente, dazu kamen etwa 2.300 Gedichte und zahlreiche Film-Drehbücher.
Mit zwei Gastspielen in Paris, 1954 mit "Mutter Courage" und 1955 mit "Der kaukasische Kreidekreis", schaffte Brechts Ensemble nun auch den internationalen Durchbruch. Ein Jahr später, am 14. August 1956, starb Brecht an den Folgen eines Herzinfarkts.
Kapitalismuskritiker, aber auch Nutznießer
Eine Anekdote aus der Anfangszeit seines Schaffens steht exemplarisch für seine Einstellung zum Leben. 1928 machte er mehreren Automobilkonzernen ein Angebot: "Biete Werbegedicht, suche Straßenkreuzer". Der österreichische Hersteller Steyr ging darauf ein, Brecht musste für das Luxusauto nur eine kleine Zuzahlung leisten.
"Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Aus der "Dreigroschenoper"
Als er 1929 mit dem Auto einen Unfall hatte, wendete er den Reklametrick erneut an: Er veröffentlicht einen Unfallbericht im Ullstein-Monatsmagazin "Uhu" mit "Beweisfotos", um zu zeigen, dass Steyr ein Auto baut, in dem man einen schweren Unfall überlebt. Die Firma spendierte ihm wieder einen Wagen.
Brecht hatte offenbar eine klare Linie: Solange kein gescheiter Sozialismus zu haben ist, lassen wir es uns im Kapitalismus gutgehen. "Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm." Das ist ein Zitat aus der "Dreigroschenoper".