"Es war widerlich" - Betroffene Autoren zur Bücherverbrennung
1933 starteten die Nazis eine Kampagne "Wider den undeutschen Geist". Unliebsame Bücher, vor allem der jüdischen Autoren, wurden verboten und öffentlichkeitswirksam verbrannt. Bei den betroffenen Schriftstellern löste das Ohnmacht, Wut und Verzweiflung aus. Sie verloren ihre Leser, die Mehrzahl ging ins Exil. Namhafte Autoren wie Brecht, Kästner und Tucholsky beschreiben ihre Gefühle nach dem 10. Mai 1933:
Erich Kästner
"Im Jahre 1933 wurden meine Bücher in Berlin auf dem großen Platz neben der Staatsoper von einem gewissen Herrn Goebbels mit düster-feierlichem Pomp verbrannt. Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt werden sollten, rief er triumphierend bei Namen. Ich war der einzige der vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen. Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und her schwankte. Es war widerlich ..."
Bertolt Brecht: Die Bücherverbrennung (Gedicht)
Als das Regime befahl, Bücher mit schändlichem Wissen
Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern
Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
Verbrannten studierend, entsetzt, dass seine
Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
Verbrennt mich! Schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch:
Verbrennt mich!
Ernst Ottwalt (1936)
"In diesen Tagen wird die Erinnerung wach an jenen 10. Mai des Jahres 1933, der als der Tag der Schmach und der Schändung heute schon in die Annalen der Kulturgeschichte eingegangen ist: der Tag der Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin."
Alfred Döblin
"Es ist ja so eine Sache im Lande. Am 10. Mai ist autodafé, ich glaube, der Jude meines Namens ist auch dabei, erfreulicherweise bloß papieren. So ehrt man mich. Aber die Sache hat doch zwei Seiten: nämlich wie wird es später sein, in 1 Jahr, in 2 Jahren, wann wird die "Gleichschaltung der Verlage" erfolgen? Arzt kann ich nicht mehr sein im Ausland, und schreiben wofür, für wen? Ich mag über dieses fatale Kapitel nicht nachdenken."
Kurt Tucholsky
"Unsere Bücher sind also verbrannt. Im Buchhändlerbörsenblatt ist eine große Proskriptionsliste für in vierzehn Tagen angekündigt. Dieser Tage stand an der Spitze des Blattes im Fettdruck: 'Folgende Schriftsteller sind dem deutschen Interesse abträglich. Der Vorstand des Börsenvereins erwartet, dass kein deutscher Buchhändler ihre Werke verkauft. Nämlich: Feuchtwanger - Glaeser - Holitscher - Kerr - Kisch - Ludwig - Heinrich Mann - Ottwalt - Plivier - Remarque - Tucholsky - und Arnold Zweig'. In Frankfurt haben sie unsere Bücher auf einem Ochsenkarren zum Richtplatz geschleift. Wie ein Trachtenverein von Oberlehrern."