Victor Jestins Roman "Der Tanzende": Ein Leben in der Diskothek
Der Protagonist in Victor Jestins Roman "Der Tanzende" ist ein interessantes Beispiel für konsequent unangepasste Menschen. Dem Autor ist eine äußerst gelungene Darstellung eines Lebens für und in einem Club gelungen.
Bereits das Debüt des französischen Schriftstellers Victor Jestin sorgte für Begeisterung unter Kritikern und Lesern. Nach seinem Erstling "Hitze" legt der Nachwuchsstar der Literaturszene nun mit "Der Tanzende" seinen zweiten Roman vor. Ging es im ersten noch um einen Jugendlichen und ein Erlebnis auf einem Campingplatz, schildert das neue Buch nun einen jungen Erwachsenen und dessen Entwicklung in einem Tanz-Club.
Die Metamorphose eines isolierten Mannes
Wummernde Bässe. Menschen in Ekstase. Fernab von allen Zwängen der Gesellschaft. Der Tanz-Club "La Plage" bietet dem jungen Ich-Erzähler Arthur einen geschützten Raum, einen Fluchtpunkt, der ihn von sozialen Konventionen abschirmt. Auch er wenn sich anfangs mit dem Tanzen schwertut, zieht ihn die Diskothek magisch an.
Ich fühlte mich (…) mit den anderen synchron, im Gleichtakt. Die Distanz zwischen uns wurde kleiner, es gab keine Leere mehr, nichts mehr zu überbrücken, und das alles ohne Worte, Vertraulichkeiten, Humor oder Intelligenz. Es genügte zu hüpfen, um Teil der Menge zu sein, sie mit der eigenen Einsamkeit zu füttern (…). Leseprobe
Der Roman erzählt die Metamorphose eines isolierten Mannes bei gleichzeitigem Stillstand. Denn während Arthur von Kapitel zu Kapitel altert, widerwillig eine Ausbildung absolviert, einem langweiligen Job nachgeht, Bodybuilding betreibt, verweigert er sich allen Erwartungshaltungen von Familie und Freunden. Zwar bemüht er sich um eine Freundin, sehnt sich nach Liebe. Doch es bleibt bei One Night Stands und kurzen Liaisons. Je mehr Misserfolge Arthur erlebt, desto mehr will er im Anderssein verharren. Verbringt über Jahre, sogar Jahrzehnte jede Nacht im Club.
Der Text nimmt den Leser mit, Abend für Abend, spiegelt intensiv die Gefühlswelt des Tänzers wider, der sich im Club immer weiter von der realen Welt entfernt. Ein Solitär im künstlichen Kosmos aus Diskokugel und Partyvolk.
"Der Tanzende": Kurzweiliges Buch mit brillanten Metaphern
Stilistisch ist "Der Tanzende" sehr heterogen. Manche Sprachbilder wirken konstruiert, etwa wenn der Autor das Vorbeugen eines Club-Besuchers mit dem Ankoppeln eines Waggons vergleicht. Andere Metaphern klingen brillant, wie die kaskadenartige Beschreibung der Tanzfläche:
(...) ein Feld, das man beackerte, ein Jagdrevier, eine Angelstelle, ein Markt ohne Regeln und Mitleid. Niemand schmort aus reiner Lust am Tanzen fünf Stunden lang im eigenen Saft. Man kommt her, um jemanden mit nach Hause zu nehmen. Dafür ist so ein Club da. Der Rest ist Folklore, Luxus, die Völlerei einiger satter Herzen. Leseprobe
Die Hauptperson Arthur - ein interessantes Beispiel für konsequent unangepasste Menschen. Das kurzweilige Buch ist eine äußerst gelungene Darstellung eines Lebens für und in einem Club.
Der Tanzende
- Seitenzahl:
- 208 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Französischen von Sina de Malafosse
- Verlag:
- Kein & Aber
- Bestellnummer:
- 978-3-0369-5898-9
- Preis:
- 23 €