"Schwätzer": Zwei Freunde auf Meteoriten-Suche in Berlin
In Sven Pfizenmaiers zweitem Roman geht es um zwei Freunde in Berlin, die in bisher unbekannte Subkulturen der Stadt geraten. "Schwätzer" hat ausreichend tolle Figuren und Themen, sodass man gerne dranbleibt.
Meikel hat früher Drogen genommen - inklusive Beschaffungskriminalität, Selbstverachtung, das ganze Programm. Seit einiger Zeit ist er aber clean, lebt ein unspektakuläres, aber geregeltes Leben. Da klingelt es an der Tür. Es ist Eddi. Mit ihm hat Meikel einst die Drogen genommen. Eigentlich haben sie keinen Kontakt mehr. Eddis Problem ist ziemlich schräg. Über eine Verkettung von Umständen kommt es, dass er einem reichen Zahnarzt von der Insel Usedom Teile eines Meteoriten bringen muss. Ansonsten droht reichlich Ärger. Eddi, ein Tunichtgut, zieht den traditionell an, Meikel weiß das, aber er hat seinen besten Freund vermisst.
"Weißt du noch, als du mal völlig zugedröhnt mit sechshundert Euro nach Hause gekommen bist und mir erzählt hast, dass du als Model für Vogue engagiert wurdest?" (…) Eddi blies eine lange Rauchwolke aus. "Ja", sagte er kaum hörbar die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger hin und her rollend. "Heroin Chic ist wieder in, hast du gesagt." Leseprobe
Mal hochunterhaltsam, mal tieftraurig
Jeder kennt so einen Menschen im eigenen Leben. Jemand, der viel redet, ein "Schwätzer", bei dem man sich denkt, dass das alles unmöglich stimmen kann. Diese Erfahrung hat Sven Pfizenmaier absolut auf den Kopf getroffen. Wie im echten Leben ist die Freundschaft von Meikel und Eddi nicht nur lustig, sondern oft auch schmerzhaft. "Das ist eine gewisse Grundhaltung, dass man einen gewissen melancholischen Blick auf die Dinge hat, dass das Lustige, das Absurde so ein bisschen die Oberfläche für mich ist, die man überspielen will, oder im Kern negative Gefühle da sind", sagt der Autor. Autobiografisch sei das Buch aber nicht.
Nach dem großen Erfolg von "Draußen feiern die Leute" ist es Pfizenmaiers zweiter Roman. Das Schreiben des Nachfolgers sei anders gewesen: "Einfacher auf jeden Fall. Ich konnte den zweiten Roman in Vollzeit schreiben. Das ist schon entspannteres Arbeiten, wenn man sich wirklich darauf konzentrieren kann, als nebenbei noch Geld zu verdienen und zu studieren. Und gewisse Sicherheiten hat, dass man nicht völlig auf dem Holzweg ist."
Ist er nicht. "Schwätzer" ist hochunterhaltsam, an vielen Stellen aber eben auch tieftraurig. Es gibt Selbstmorde, es gibt ein Berlin der geschlossenen Clubs, junge Menschen Ende 20, Anfang 30, die irgendwie nicht weiter wissen.
Meikel wollte weinen. (…) Es zu unterdrücken war keine Geste des Stolzes, das war es vielleicht einmal gewesen, als Junge, als das Nichtweinen noch ein Beweis für irgendwas war. Über die Jahre ist es in sein natürliches Verhalten übergegangen. Er nahm es als gegeben an, dass die Offenlegung einer Verletzung falsch ist, so wie es falsch ist, Steine zu essen. Leseprobe
"Schwätzer": Roman mit tollen Figuren und Themen
Die Jagd nach dem Meteoriten ist ein erzählerisches Gerüst, das "Schwätzer" nicht braucht. Das ist einen Hauch zu absurd. Es gibt einen Perspektivwechsel in der zweiten Hälfte des Romans, als dann eine weitere Figur aus der Ich-Perspektive erzählt. Stilistisch interessant, aber auch das: nicht wirklich nötig. "Schwätzer" hat ausreichend tolle Figuren und Themen, sodass man gerne dranbleibt.
Schwätzer
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kein & Aber
- Bestellnummer:
- 978-3-0369-5039-6
- Preis:
- 22 €