von Andrea Schwyzer

Vier herzkranke Menschen: ein Jugendlicher, kurz vor seinem ersten Sex; eine Frau, die verzweifelt Mutter werden will; ein greiser Immobilienpatriarch; und eine ehemalige Spitzenschwimmerin. Ihre Heilungschancen sind aussichtslos. Also schlucken sie ein noch nicht erprobtes Medikament. Entwickelt hat es der Wissenschaftler Martin Mosländer an der Berliner Charité. Der Wirkstoff schlägt nicht nur sofort an, er hat auch eine interessante Nebenwirkung: Er macht die Probanden biologisch jünger.

Der Traum von der ewigen Jugend - hier im Roman wird er wahr. Doch auch in der Realität sind wir der Verjüngungspille näher, als Autor Maxim Leo jemals gedacht hätte. Ein Zeitungsartikel hat ihn zum Nachdenken gebracht: "Optimisten sagen, dass wir in zehn Jahren möglicherweise so ein Medikament haben werden - andere sagen, vielleicht dauert es noch 50 Jahre. Aber dass es eben nicht mehr eine Frage des Ob, sondern des Wann sein wird, das hat mich fasziniert, weil ich gar nicht daran gedacht hätte, dass es zu meinen Lebzeiten möglicherweise etwas geben könnte, was alles verändern könnte."

Who wants to live forever?

Aber was, wenn das Leben auf einmal viel länger wird? Der über 80-jährige Unternehmer Wenger macht sich dazu so seine Gedanken:

Musste man sich da nicht irgendwie neu erfinden? Weil man sonst doch nur noch in der Wiederholung lebte, irgendwann bitter und zynisch wurde? Musste er sich also irgendwann ein Flugticket nach Australien kaufen? Oder würde er sich eines Tages bei bester Gesundheit umbringen, weil er nicht den Mut hatte, etwas Neues zu wagen? Leseprobe

Wollen Menschen Mitte 30 wirklich wieder jugendlich sein, fragt sich die ehemalige Spitzensportlerin Verena:

Das mit der Jugend (…) funktioniert leider nicht. (…) Weil Jugend vor allem im Kopf stattfindet. Man bekommt die Begeisterung nicht zurück, die Naivität, die Neugier. Und diese ständigen ersten Male. Dieses Gefühl, als ich endlich meine erste eigene Wohnung hatte, als ich zum ersten Mal auf einem Motorrad saß. (…) Das alles kommt leider nicht wieder, nur weil ich auf einmal tolle Leberwerte habe. Leseprobe

Ein kontroverses Wundermittel

Natürlich geht es bei der Greifbarkeit nach ewigem Leben nicht nur um individuelle Sichtweisen. Als die Existenz der Verjüngungspille publik wird, wollen alle das Wundermittel haben. Ein erstes Treffen im Kanzleramt wird einberufen. Die Medizinethikerin Miriam Holstein versucht den regierenden Herren in der Runde die erste Euphorie zu nehmen:

"Fangen wir an mit der Ungerechtigkeit, die es bedeuten würde, wenn in einer Welt, in der Millionen Menschen hungern und viele nicht älter als fünfzig Jahre werden, einige wenige hundertfünfzig oder zweihundert Jahre lang leben wollen. (…) Außerdem würde sich der Konflikt zwischen den Generationen verstärken, denn wenn die Älteren länger leben wollen, explodiert entweder die Erdbevölkerung, was die Vernichtung der Erde beschleunigt, oder die Jüngeren müssen darauf verzichten, Kinder zu bekommen." Leseprobe

Persönliche und weltpolitische Perspektiven verstricken sich immer mehr: Aktivisten entführen Professor Mosländer und drängen ihn dazu, das Medikament nur für bedürftige, mittellose Menschen herzustellen. Die Olympionikin schwimmt wieder Weltrekorde und wird des Dopings bezichtigt, die verzweifelte Mittvierzigerin wird endlich schwanger, doch was für ein Kind wird sie zur Welt bringen?

"Wir werden jung sein": Eine glaubwürdige Geschichte

Das alles liest sich süffig, teils wie ein Krimi. Klar, die Protagonistinnen sind allzu perfekt gewählt: Maxim Leo entwirft eine fein konstruierte Blaupause für den Umgang mit einer medizinischen Revolution, die kommen wird. Trotzdem ist die Geschichte bereichernd, glaubwürdig: zum einen, weil der Autor wissenschaftlichen Beistand hatte, zum anderen dank der Vielschichtigkeit, der nahbaren Innensicht der Figuren.

Am Ende bleibt die Frage: Was würde ich tun? Würde ich es nehmen, das Medikament, das mich 18 Jahre jünger macht? Maxim Leo, 1970 geboren, antwortet darauf: "Erst mal denkt man: ja, tolle Sache. Klar, warum nicht jünger werden? Was spricht dagegen? Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr Probleme tauchten auf, desto mehr Fragen und Widerstände kamen auf. Aber letztlich bin ich ein sehr neugieriger Mensch und würde immer gerne wissen, wie es weitergeht und was danach kommt. Deswegen war für mich von Anfang an klar, dass ich es natürlich nehmen würde."

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