"Räume des Lichts": Die Geschichte einer unperfekten Mutter
Yuko Tsushima Roman "Räume des Lichts" war lange Zeit vergriffen und wurde jetzt von Nora Bierich neu übersetzt. Es geht darin um zeitlose, universelle Probleme, die Frauen auch heute noch betreffen.
Traditionell ist die japanische Gesellschaft stark von Männern dominiert. Das ändert sich nur langsam. Japan hat von den wichtigsten Industrienationen den größten so genannten Gender Pay Gap. Dieser beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Alleinerziehende Mütter hatten und haben es besonders schwer. Die Schriftstellerin Yuko Tsushima, die als eine der bedeutendsten japanischen Autorinnen gilt, hat in ihren Büchern häufig über die Probleme dieser Frauen geschrieben. So auch in ihrem Roman "Räume des Lichts", der im Original bereits vor über 40 Jahren erschien und jetzt von Nora Bierich komplett neu übersetzt wurde. Der Roman führt zurück ins Japan der 1970er Jahre.
Die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter
Als sich ihr Mann von ihr trennt, braucht die Ich-Erzählerin für sich und ihre vierjährige Tochter eine neue Wohnung. Eigentlich wird von ihr erwartet, dass sie zurück zu ihrer Mutter zieht, aber das kommt für die Protagonistin nicht in Frage. Sie will unabhängig sein und findet schließlich eine Wohnung in der obersten Etage eines Bürogebäudes. Die hat zu allen vier Seiten Fenster:
Ich hätte mir am liebsten selbst zu dieser Wohnung gratuliert, denn bei so viel Licht würde es mir leichter fallen, meiner Tochter Schutz zu bieten angesichts der Veränderungen in ihrem Leben. Morgens schien die Sonne in das neben der Eingangstür gelegene kammerartige Zimmer, in dem gerade mal zwei Tatami Platz fanden. Ich erkor es zum Schlafzimmer. Leseprobe
In nüchterner, stark beschreibender Sprache erzählt Yuko Tsushima die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die nicht als leuchtendes Vorbild taugt. Sie ist keine Frau, die immer alles im Griff hat, sondern ein Mensch mit vielen Schwächen, überfordert von der ermüdenden Routine des Alltags, dessen Ereignislosigkeit ihr Angst vor der Zukunft macht.
Yuko Tsushima: Eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen Japans
Yuko Tsushima, Jahrgang 1947, kennen in Deutschland wahrscheinlich nur wenige Leserinnen und Leser. In ihrer Heimat Japan war sie eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen ihrer Generation. Immer wiederkehrende Themen ihrer Romane waren schwierige Lebensumstände alleinerziehender Mütter, abwesende Väter und der Tod. In "Räume des Lichts" fürchtet die Erzählerin, dass ihre Tochter im Schlaf gestorben ist oder im Teich ertrunken:
Nichts an diesem düsteren japanischen Park ähnelt dem Bois de Boulogne, dachte ich, und da fiel mir der große Teich in der Parkmitte ein. Vor meinen Augen sah ich meine Tochter im Wasser treiben. War das die Strafe, weil ich sie beschimpft und geschlagen hatte? Leseprobe
Tatsächlich ist die Protagonistin ihrer Tochter gegenüber oft sehr ungeduldig, sie lässt sie nachts allein, um etwas trinken zu gehen, sie schubst und beschimpft sie. Das liest sich heute sicher viel skandalöser als 1979, im Erscheinungsjahr des Romans.
Probleme, die Frauen auch heute noch betreffen
"Räume des Lichts" ist eine unsentimentale, stark autobiografisch geprägte Geschichte, die viel über die Situation von Frauen, besonders Müttern, im Japan der 1970er Jahre verrät. Yuko Tsushima porträtiert eine unperfekte Mutter, die immer wieder scheitert und bis an ihre Belastungsgrenzen geht. Es sind zeitlose, universelle Probleme, die Frauen auch heute noch betreffen.
Räume des Lichts
- Seitenzahl:
- 208 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Japanischen von Nora Bierich
- Verlag:
- Arche
- Bestellnummer:
- 978-3-7160-2809-4
- Preis:
- 22 €