"Poussi": Roman über Rotlichtmilieu von Cecilia Joyce Röski
Wie weit können Verdrängung und Abstumpfung im Leben eines Menschen führen? Wie lange hält ein Mensch an seinen Träumen fest? Diese Fragen treiben Cecilia Joyce Röski in ihrem Debütroman um. Aber was verheißungsvoll beginnt, bleibt eine literarische Kopfgeburt.
Wenn man in einem Palast wohnt, geht es einem wahrscheinlich sehr gut. Mit dem Wort verbinden sich in der Regel Annehmlichkeiten, Komfort und ein luxuriöses Leben. Bei der der 22-jährigen Ibli sieht das ganz anders aus. Sie lebt seit ihrer Kindheit im "Palast", einem Bordell, in dem sie anschaffen geht und in dem sie auf einem der insgesamt vier Stockwerke ihr Zimmer hat, das gleichzeitig ihr Zuhause und ihr Büro ist, wie sie selbst sagt.
Ich liege auf meinem Bett, ich weiß nicht, wie lang schon, aber wichtig ist, dass ich hier liege. Nicht dass jemand in mein Zimmer lugt, und ich bin gerade gar nicht da. Ich bin immer da. Leseprobe
Vom Bordellbesitzer zum Taxifahrer
Ibli ist die eine Protagonistin in Cecilia Joyce Röskis Romandebüt. Sie ist im Bordell als Tochter einer Prostituierten und eines Zuhälters aufgewachsen. Ihr Vater wird von allen immer nur "Lackschuh" genannt; seine Geschichte bildet den zweiten und zeitversetzten Erzählstrang im Roman. Erst am Ende wird seine Geschichte und Iblis Gegenwart miteinander verschmelzen.
Lackschuh war früher einmal Besitzer des Palast-Bordells. Der Spielsucht verfallen, schlägt er sich inzwischen als Taxifahrer durch und hofft, mit einem Kumpel zusammen noch einmal ein neues Bordell eröffnen zu können. Der Kontakt zu seiner Tochter ist abgebrochen.
Das Warten auf den Märchenprinzen
Iblis einzige Freundin im Bordell ist Zola. Sie mag an ihr vor allem den Geruch ihrer Haut und ihres Zimmers. Darin sieht Ibli ihre größte Gabe: ihr Geruchssinn. Sie glaubt, dass sie Gefühle anderer Menschen riechen kann.
Wahrscheinlich bin ich ein sehr sinnliches Frauchen, die sich sogar selber riechen kann. Leseprobe
Doch da täuscht sich Ibli. Ihre olfaktorische Selbstwahrnehmung bleibt eine Wunschvorstellung. Ibli kann alles gut richten, nur nicht sich selbst. Sie nimmt sich nicht wahr und ist eine große Verdrängerin. Das ist ihre Art, mit dem Leben zurechtzukommen. Röskis etwas schablonenhaft geratene Romanheldin ist ganz auf sich allein gestellt und hofft auf einen Märchenprinzen, einen Freier - im "Palast" Poi genannt -, der sie retten soll.
Verstellung und Verdrängung zum Selbstschutz
Cecilia Joyce Röski hat mit Ibli eine Kunstfigur geschaffen, für die Verstellung zum Selbstschutz wird. Zu Iblis manierierten Eigenschaften gehört eine besondere Aussprache von Namen und Dingen und die verharmlosende Betrachtung von Ereignissen um sie herum. Als der vermeintliche Adonis sie mit nach Hause nimmt und sie dafür bezahlen will, gerät Ibli in eine bizarre Dreieckskonstellation:
Natürlich mache ich mit. Einmal will ich doch die Liebe durchspielen, die vollkommene und unendliche Liebe für dreitausend Euro im Monat. Wer weiß, wann ich noch mal die Gelegenheit dafür bekomme. Leseprobe
Zurück im Bordell, bekommt Ibli die Härte der Chefin zu spüren. Ihre beste Freundin Zola wird vor die Tür gesetzt und die Miete um 100 Prozent erhöht. Die Suche nach Zola und nach einer neuen Ausstiegsmöglichkeit aus dem Bordell geht weiter.
"Poussi": Eine literarische Kopfgeburt
Wie weit können Verdrängung und Abstumpfung im Leben eines Menschen führen? Wie lange hält ein Mensch an seinen Träumen fest, obwohl schon alles verloren gegangen scheint? Diese Fragen treiben Cecilia Joyce Röski in ihrem Debütroman um. Aber was verheißungsvoll beginnt, bleibt eine literarische Kopfgeburt. Als Leserin und Leser steigt man irgendwann aus, selbst bei der tragischen Vater-Tochter-Beziehung. Dabei hätte besonders der Erzählstrang rund um Iblis Vater noch viele Möglichkeiten geboten.
Poussi
- Seitenzahl:
- 264 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Hoffmann & Campe
- Bestellnummer:
- 978-3-455-01550-8
- Preis:
- 24 €