Monika Mann: Porträt der ungeliebten Tochter von Katia und Thomas Mann
Monika Manns Jahre auf Capri waren offenbar die schönsten ihres Lebens. Kerstin Holzer hat über die weiblichste Vertreterin der gesamten Mann-Familie ein einfühlsames Porträt geschrieben.
Die Familie von Thomas Mann ist schon außerordentlich gründlich unter die Lupe genommen worden - bis hin zu den Eltern und Schwiegereltern des weltberühmten Schriftstellers. Weniger bekannt ist das Schicksal seiner Tochter Monika, die neben den hochbegabten Geschwistern Klaus und Erika, dem Historiker Golo, der Wissenschaftlerin Elisabeth oder dem Musiker Michael Mann in der Familie als nicht übermäßig begabt und eher langweilig wahrgenommen wurde. Kerstin Holzer befasst sich jetzt in ihrem Buch "Monascella" mit dem Schicksal dieser Tochter.
"Monascella": Berührend und überraschend
Auch wenn man schon viel gelesen hat über die Familie Mann, ist dieses Buch in besonderer Weise berührend und überraschend. Kerstin Holzer erzählt von einer Tochter, mit der weder Vater noch Mutter Mann so recht etwas anfangen konnten. Die beiden älteren Geschwister Klaus und Erika waren zu den beiden folgenden Kindern Monika und Golo auf kindliche Weise ziemlich grausam. Nachdem dann Elisabeth und Michael zur Welt gekommen waren, erzählte Monika Mann, sei ihre Kindheit zu Ende gewesen. Da war sie acht Jahre alt. Als junge Erwachsene nannte sie ihr Dasein traurig:
(...) man muss die Gabe haben, sich in Szene zu setzen, sonst wird man übergangen. Leseprobe
Wobei es auch die anderen Kinder, jedes auf seine Weise, schwer hatten in dieser Familie. Der kleine Michael, genannt Bibi:
(...) erregt bei Thomas Mann immer "Fremdheit, Kälte, ja Abneigung". Das weiß auch Katia und verspricht, dem sechsfachen Vater in einem Brief, sie wolle ihm "noch ein feines Söhnlein schenken, weil ich doch mit dem Bibi Deinen Geschmack so gar nicht getroffen habe." Leseprobe
Nehmen wir einmal zu Katia Manns Gunsten an, dass es ein sehr skurriler Sinn für Humor war, der sie einen solchen Brief schreiben ließ.
Monika Mann: Kein Glück in Amerika
Monika Mann brilliert aus Sicht ihrer Eltern in keiner der Künste, sie halten sie für eine nur mäßig begabte Pianistin, keine eindrucksvolle Malerin und ohne Begabung für Schriftstellerei. Sie heiratet 1939 einen ungarischen Kunsthistoriker, ihr Vater ist erleichtert über diese Eheschließung. Das Paar besteigt 1940 in London ein Flüchtlingsschiff, das kurz nach dem Auslaufen von einem deutschen Torpedo getroffen wird. Hunderte Passagiere sterben, nur 19 der 92 Kinder an Bord überleben. Monika Mann wird nach 20 Stunden von einem englischen Zerstörer aus dem Wasser gerettet, ihr Mann ist ertrunken. Sie sucht bei ihren Eltern, die inzwischen im amerikanischen Exil leben, Trost und Unterstützung. Aber Thomas und Katia Mann fühlen sich gestört von ihrer jetzt noch weniger amüsanten Tochter.
Schönste Zeit mit Antonio Spadaro auf Capri
Kerstin Holzer erzählt vom Überlebenswillen dieser erstaunlichen Frau in den folgenden Jahren. Sie geht nach Capri und mietet sich in einer herrlichen Villa mit Meerblick ein:
Das Meer hat sie stets vor Augen. Es ist kein Schrecken mehr und Schauplatz schauerlicher Alpträume, in denen tote Kinder auf aufgewühlten Wogen tanzen, sondern allmählich ihr Freund geworden. Leseprobe
Sie verliebt sich in Antonio Spadaro, mit dem sie in den nächsten 30 Jahren glücklich zusammenlebt. Von der Familie hochmütig als einfacher Fischersohn wahrgenommen, wird Antonio zu dem Mann, der Monika achtet und auf Händen trägt. 1985 starb Antonio Spadaro und Monika wollte ohne ihn nicht auf Capri bleiben. 1992, im Alter von 81 Jahren, starb Monika Mann. Ihre Jahre auf Capri waren offenbar die schönsten ihres Lebens.
Kerstin Holzer hat über die weiblichste Vertreterin der gesamten Mann-Familie ein einfühlsames Porträt geschrieben. Eine Art Ehrenrettung. Oder auch: In den Arm nehmen möchte man dieses Kind.
Monascella. Monika Mann und ihr Leben auf Capri
- Seitenzahl:
- 208 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-29042-5
- Preis:
- 22 €