Laut und wild und schnell: Roman "Romantic Comedy"
Curtis Sittenfeld ist bekannt für ihre nah an der Realität angelegten Geschichten und nutzt diesen Rahmen für pointierte Beobachtungen des Menschseins. Ihr Roman "Romantic Comedy" nimmt die Lesenden mit in die Welt einer TV-Show.
Die Autorin einer bekannten Late-Night-Show steht im Mittelpunkt des neuen Romans von Curtis Sittenfeld. Anlehnungen an die erfolgreiche US-amerikanische "Saturday Night Live"-Show sind dabei so offensichtlich, wie gewollt. In "Romantic Comedy" nimmt Curtis Sittenfeld die Leserinnen und Leser mit in die Redaktion einer Comedyshow und führt ihre Figuren umgehend am Nasenring durch die Manege ihres eigenen Zirkusses: Manipulative Chefs, Abgabedruck, Endlosmeetings, die Wichtigtuerei im redaktionellen Biotop, in dem es immer nur um die nächste Sendung geht.
Gelächter ertönte, aber wenn in der Pitchrunde gelacht wurde, konnte das auch heißen, dass man seine Pointen zu früh verfeuert hatte. Und im Übrigen war Gelächter überraschend oft eben nicht der Gradmesser für das Schicksal eines Sketches, das vielmehr von Nigels Launen abhing. Von den vielleicht vierzig Skripts, die für die Mittwochslesung eingereicht wurden, würden es etwa zwölf Sketche bis zur Kostümprobe und nur acht bis in die Liveshow schaffen. Aus diesem Grund pitchten manche gar keine echten Ideen, wobei ich das Risiko einging, meine wirklichen Einfälle zu teilen. Buchzitat
Protagonistin erfindet "Danny-Horst-Regel"
Protagonistin Sally ist Autorin dieser Sendung, klug und lustig, natürlich, aber auch eine scharfe Beobachterin. Ihr Kollege und bester Freund liefert ihr mit seiner neuesten Liaison mit einer jungen Schauspielerin eine Steilvorlage für ihre nächste Gag-Idee, die "Danny-Horst-Regel", in der es darum geht, dass unattraktive Männer deutlich häufiger attraktivere Frauen daten als umgekehrt.
Ich ging an die Decke, weil Annabel Lily ein bildschöner, talentierter, weltberühmter Filmstar war und Danny ein Hänger. Er hatte bleiche Haut, war chronisch übernächtigt und sarkastisch. Und er legte es weniger darauf an, es anderen recht zu machen. Auf Afterpartys war er offensichtlich bekifft oder auf LSD. Oft sprach er ganz arglos über seine Sozialphobie und seinen Pornokonsum. Und seine verschiedenen Arten von Rülpsern waren mir so vertraut, dass ich sofort wusste, was er zuletzt gegessen hatte. Buchzitat
Temporeicher Auftakt schlägt um
In harter Taktung jagt eine Pointe die nächste - schließlich geht es um Comedy. Wer seine Hipster-Sprech-Hausaufgaben nicht gemacht hat, mag manche Gags und Schlagworte nicht verstehen, und man fühlt sich ein bisschen gepeitscht durch den temporeichen Auftakt des Buches - unterhaltsam zwar, aber auch ein bisschen anstrengend. Und dann schlägt die Geschichte ganz andere Töne an. Es scheint wie ein anderes Buch, das man jetzt liest. Man sitzt fast neben Sally, als sie über zwei Jahre später, mitten im ersten Lockdown der Pandemie, die einsilbige E-Mail eines Gaststars der Sendung bekommt - ein weltberühmter Musiker, mit dem sie nicht gerade im Guten auseinander gegangen ist.
Noah: "Ist die hier noch aktuell?"
Sally: "Ja, meine Mail ist noch aktuell."
Noah: "Ich hatte im Februar Covid. Als ich krank war, hatte ich Zeit zum Nachdenken. Über … über vieles, ehrlich gesagt. Insbesondere meine Arbeit mit Ihnen und darüber, dass es so blöd zu Ende ging, und ich möchte mich ganz offiziell entschuldigen. Ich finde Sie cool und klug und hätte mir gut vorstellen können, nach dieser Woche noch mehr Zeit mit Ihnen zu verbringen."
Sally: "Ehrlicherweise sind Sie nicht mein erster Brieffreund. Aber Sie sind wahrscheinlich der beste, oder zumindest finde ich diese kleine wechselseitige Zerstreuung sehr angenehm."
Buchzitat
Es entspinnt sich während des ersten schweren Jahres der Pandemie ein E-Mail-Ping-Pong zwischen Sally und Popstar Noah mit einer Intensität, wie sie nur wenige Brief-Romane erreichen. Die pandemiebedingte Isolierung wird zum Katalysator der Intimität, die einen selbst zurückwirft in diese zwei Jahre, in denen wohl jeder ganz neue Erfahrungen von Distanz und Nähe erlebt hat.
Teilweise vorhersehbar, aber nicht oberflächlich
An das gestelzte "Sie" in der Ansprache muss man sich gewöhnen, im Zweifel darüber hinweglesen. Übersetzer Stephan Kleiner mag es als Stilmittel eingesetzt haben, um die Unwahrscheinlichkeit der Nähe zwischen Sally und Popstar Noah zu unterstreichen, die Ausgangspunkt und Narrativ der Geschichte ist. In Teilen ist die Geschichte von Sally und Noah vorhersehbar. Aber es sind die Zwischentöne, die "Romantic Comedy" zu eben keiner oberflächlichen sogenannten RomCom macht, wie ja Spielfilme des Genres, das Liebe und Humor vereint, genannt werden.
Krux der modernen Gesellschaft auf den Punkt gebracht
Die Unsicherheiten einer erfolgreichen Frau, die Selbstzweifel eines vermeintlich souveränen Mannes und die Schwierigkeiten, die es diesen beiden Menschen bereitet, einander zu vertrauen. Das alles mag ein klassisches Sujet zeitloser Liebesgeschichten sein. In "Romantic Comedy" bringt Curtis Sittenfeld aber im Rahmen dieser "Mädchen trifft Jungen und alles ist schwierig"-Geschichte die Krux unserer modernen Informationsgesellschaft auf den Punkt: Glaubt man doch alles zu wissen, heutzutage, über die Gesetze des Datings, über Geschlechterklischees und stereotype Erwartungshaltungen. Aber wenn man unendlich viele Witze über Klischees und Typen gemacht hat, hat das reale Leben manchmal kaum mehr eine Chance. Oder doch?
Romantic Comedy
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Stephan Kleiner
- Verlag:
- Dumont
- Bestellnummer:
- 978-3-7558-1062-9
- Preis:
- 23 €