Roman "Der Bademeister ohne Himmel": Demenz mit Leichtigkeit erzählt

Stand: 16.07.2024 06:00 Uhr

Es geht um ein Thema, mit dem sich Petra Pellini hervorragend auskennt: Sie erzählt in "Der Bademeister ohne Himmel" von einem an Demenz erkrankten Menschen. Mit Überlebenshumor nimmt sie dem Thema die Schwere, sodass man den Roman mit Anteilnahme, Lachen und Weinen liest.

von Annemarie Stoltenberg

Bereits für einen Textauszug hat Petra Pellini 2021 den Vorarlberger Literaturpreis gewonnen. Nun ist der Roman fertig und erscheint im Rowohlt Kindler Verlag. Die Autorin arbeitet in Bregenz mit Demenzkranken und schildert in ihrer Geschichte, wie viel Geduld, Kreativität und Humor im Umgang nötig und hilfreich sind.

Das Thema klingt so schwer, aber so wie Pellini es erzählt, gewinnt es eine besondere Leichtigkeit und nimmt alle Schwellenängste, sich damit zu beschäftigen. Dabei hat es die Ich-Erzählerin Linda nicht leicht. Linda ist erst fünfzehn Jahre alt und plagt sich mit Selbstmordgedanken.

Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharen und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren. Wenn mein linker Arm gut zu liegen kommt, werden sie den Säbelzahntiger auf meinem Unterarm sehen. Die Welt wird stillstehen und endlich wird jemand es aussprechen: Das Mädchen braucht Hilfe! Romanauszug

Schwimmtraining im Trockenen mit dem demenzerkrankten Bademeister

Maria-Isabel Walke spricht einfühlsam, mitunter bedrückt und traurig, aber auch mit hintergründigem Witz die Hörbuchfassung des Romans. Die Hauptfigur Linda spielt immer wieder in Gedanken durch, wie sie ihr Leben beenden möchte. Aber ihre Teenager-Tristesse verfliegt regelmäßig, sobald sie sich um den an Demenz erkrankten Nachbarn Hubert kümmert.

Hubert und ihr Schulfreund Kevin, sagt sie gleich zu Beginn, seien die beiden Menschen, die sie von ihren düsteren Gedanken abhalten. Hubert ist ein pensionierter Bademeister, der stolz darauf ist, dass bei ihm nie ein Kind ertrunken ist. Das ist ihm so wichtig, dass er sich daran länger, als an alles andere, etwa an seine Ehefrau oder seine Tochter, erinnern kann, während die Demenz sein Gehirn mehr und mehr zerstört.

Huberts Tochter hat Linda gebeten, auf ihren Vater aufzupassen, denn er muss inzwischen rund um die Uhr betreut werden. Linda bietet unglaublich viele Ideen auf, um Huberts Dahindämmern mit witzigen Spielen und Gesprächsangeboten zu unterbrechen. Sie merkt, dass es keinen Sinn mehr hat, mit ihm, wie die Tochter vorgeschlagen hat, Fotoalben anzugucken, weil er die abgebildeten Menschen nicht mehr erkennt. Sie holt stattdessen die Kinder-Schwimmflügel aus dem Keller und veranstaltet mit Hubert Schwimmtraining im Trockenen im Wohnzimmer und macht ihn für Stunden glücklich damit.

Petra Pellini nimmt dem Thema Demenz souverän die Schwere

"Wie viele?", fragt Hubert, als er die Schachtel sieht. "Elf", antworte ich. Hubert stellt sich neben mich, vergräbt die Hände in den Hosentaschen und atmet tief aus, als ich die Schachtel öffne: Original BEMA Schwimmflügel, orangefarben, in unterschiedlichen Größen. (…) Jetzt ist Hubert Bademeister. Ein leiser Wind säuselt durchs Wohnzimmer. Kindergeschrei. Es riecht nach Chlor und Sonnencreme. Hubert sortiert Schwimmflügel nach Größen, überprüft ihre Funktionalität, pumpt sie auf und grinst, als hätte er in der Lotterie gewonnen. Ich bringe ihm sein weißes Cappy und setze es behutsam auf seinen Kopf. Romanauszug

Petra Pellini schafft es, diese Geschichte mit solidem Überlebenshumor so zu durchwürzen, dass man den Roman mit Anteilnahme, Lachen und Weinen liest. Sie nimmt dem Thema souverän seine Schwere und hat hunderte von Ideen, wie man mit demenzkranken Menschen kreativer, als wir es gewohnt sind, umgehen könnte.

In einem Interview hat sie gesagt, dass für sie das Schreiben die Wahrnehmung schärft. Dem kann man hinzufügen, dass die Lektüre ihres Romans die Wahrnehmung vielleicht sogar nicht nur schärft, sondern verbessert.

Weitere Informationen