Roman von NS-Autor Gustav Frenssen nach 80 Jahren veröffentlicht
Der Dithmarscher Autor Gustav Frenssen war Anfang des 20. Jahrhunderts sehr beliebt, heute ist er wegen seiner Nähe zu den Nationalsozialisten umstritten. Nun wurde die bislang unveröffentlichte Erzählung "Kandidat Ohland" herausgegeben, die der Autor 1944 geschrieben hat.
Gut 80 Gäste sind in den Saal der Gaststätte Harmonie in Barlt gekommen. Auf einem Tisch vorne im Raum liegen frisch gedruckte Exemplare des Romans "Kandidat Ohland". Doch es ist alles andere als eine normale Buchvorstellung. Denn der Autor des Romans ist Gustav Frenssen. Der Dithmarscher war um 1900 nicht nur gefeierter Bestsellerautor. Sondern während des Nationalsozialismus auch einer der übelsten NS-Schriftsteller. Frenssen war Schreibtischtäter, der zum Beispiel forderte, Schwerkranke sollten "nach germanischem Gefühl für das Wahre, mit ihrer eigenen Billigung oder nach dem Willen der Gemeinschaft, ausgelöscht werden. Solche Kranken sind die völlig verkrüppelten Neugeborenen, die unheilbaren Idioten, die unheilbar Irren".
Wollte sich Frenssen moralisch reinwaschen?
Für Herausgeber Arno Bammé war das natürlich ein Problem. Darf man von so einem noch etwas herausgeben, auch noch als Erstdruck? Arno Bammé und Thomas Steensen, der zweite Herausgeber, entschieden sich dafür. Auch, weil im "Kandidat Ohland", den Frenssen 1944 schreibt, von seinen NS-Ideologien nichts zu lesen sei. Dass Frenssen in dem Roman über die Hauptfigur Lars Ohland dazu aufruft, das Gute zu tun, macht die Herausgabe des Werks allerdings nicht einfacher. Schließlich liegt der Gedanke nahe, da wollte sich ein krebskranker Frenssen ein knappes Jahr vor seinem Tod noch einmal moralisch reinwaschen. "Darum geht es ihm sicher nicht. Denn er schreibt zeitgleich auch weiter seinen ganzen ideologischen Murks, das ganze unmenschliche Zeug", sagt Dietrich Stein, wohl einer der besten Frenssen-Kenner. Stein war es auch, der das Manuskript von "Kandidat Ohland" fand - bereits Mitte der 90er Jahre. Damals arbeitete Stein an einer Frenssen-Biografie - und beachtete das Werk kaum. "Heute ärgert mich das ein bisschen", sagt Stein. "Wenn ich das richtig durchgearbeitet hätte, hätte ich einiges noch anders gewichtet. Das wirft im Rückblick nochmal ein anderes Licht auf Frenssen und seine Persönlichkeit, die einfach auch eine ambivalente, um nicht zu sagen: gespaltene war."
"Kandidat Ohland": Ein Schelmenstück jagt das andere
Es geht in "Kandidat Ohland" um einen jungen friesischen Bauern, der Theologie studiert hat, ohne das Examen zu machen. Doch sein Propst beruft ihn zum Pastor im nordfriesischen Heimatkirchspiel Steedebüll. Der "böse" Küster Bahne Bunt bringt seinen Pastor Lars Ohland gewollt immer wieder in Schwierigkeiten. Ohland versucht in jedem Menschen und auch in den Tieren das Gute zu erkennen. Er erleidet eigentlich jedes Mal Schiffbruch, sieht das selbst aber ganz anders. Ein Schelmenstück jagt das andere und Nordfriesland wird nebenher sehr lebendig beschrieben. Unterstützung in seinem Lebensalltag und auch Hilfe und Beistand in seinen schwierigen Situationen bekommt Ohland durch die alte Magd Karen Maleen und in der Bewirtschaftung des Pastorhofes von dem jungen Bauernsohn Niels Junker. Am Ende wird es dann doch etwas düster. Frenssens kann seine dunkle Seite nicht ganz beiseite halten. Der Schriftsteller sinniert über Gottes- und der Menschen-Gerechtigkeit.
Frenssen als Mahnung nehmen
Wie ambivalent Frenssen war, zeigt das umfangreiche Nachwort des Romans, das gut ein Drittel des Buchs ausmacht. Dass die Veröffentlichung dennoch kritisiert werden könnte, hat für Herausgeber Bammé auch mit einem seiner Meinung nach falschen Kulturbegriff zu tun: "Wenn man über Kultur spricht, dann denkt man immer positiv, also Goethe, Schiller, Beethoven. Aber die Kultur umfasst eben auch Leute wie Hitler, Himmler, Göbbels." Dies zu wissen, sei wichtig, damit Geschichte sich nicht wiederhole. "Bei Frenssen wird deutlich, wo es hinführt, wenn man sich diesen ganzen Ideologien öffnet und davon besoffen machen lässt", so Stein