"Ein tadelloses Glück": Der junge Thomas Mann als Romanheld
In Heinrich Breloers Roman geht es um eine frühe Lebensphase von Thomas Mann, kurz vor und nach der Veröffentlichung der "Buddenbrooks". Auch wenn die Dialoge manchmal etwas hölzern wirken, ist "Ein tadelloses Glück" ein echter Pageturner.
Um gleich die Genrefrage zu klären: Halten wir eigentlich einen Roman in der Hand oder ein Sachbuch? Der Penguin Verlag spricht von einem "Sachroman" - Heinrich Breloer sagt, dass es sich um "faktengestütztes romaneskes Erzählen" handele. Faktengestützt, weil er sehr viel recherchiert hat, um Thomas Mann in einer Zeit zu beschreiben, in der er noch auf seinen großen literarischen Ruhm wartete. Und romanesk erzählt wird da, wo Breloer nur spekulieren konnte und wo auch Thomas Manns Tagebuchaufzeichnungen und Briefe nicht weiterhalfen.
Um diese Leerstellen zu füllen, hat Breloer dann frei fabuliert. Seine Absicht war, mit dieser Geschichte an seine TV-Doku von 2001 über die Familie Mann anzuknüpfen. Dieses "nationale Ereignis", wie Marcel Reich-Ranicki es nannte, "begann am Ende des Ersten Weltkriegs. Das heißt, die spannendste Geschichte wäre das Prequel gewesen. Wie ist Thomas Mann Thomas Mann geworden? Denn er war in einer schwierigen Situation: Der Vater war früh gestorben, die Familie war deklassiert. Sie mussten Lübeck verlassen, das Geld hatte ein Verwalter."
"Ein tadelloses Glück" ursprünglich als Fernsehproduktion geplant
Breloer nimmt uns mit in die Zeit, in der Thomas Mann nach München ging und unsicher war, wie es nach dem Erscheinen der "Buddenbrooks" weitergehen könnte. Denn die wurden erst mit späteren Auflagen, ab 1903, zum Erfolg. Nur in Lübeck hatte der gesellschaftliche Schlüsselroman schon für einen Skandal gesorgt.
Wie gerade in der "Welt" zu lesen war, sollte Breloers "Ein tadelloses Glück" eigentlich eine Fernsehproduktion werden - das Vorhaben scheiterte aber am Geld. Der Penguin Verlag schlug ihm daraufhin vor, den Stoff zum "Sachroman" zu verarbeiten. Für den Drehbuchautor und Filmregisseur Breloer eine völlig neue Erfahrung: "Ich hatte eins unterschätzt: wie viele Helfer ich beim Film habe. Ich sage: 'Thomas Mann im Morgenmantel' - und die wissen, wie der aussieht, wie die Frisuren sind, die Möbel. Ich stellte fest: Bei jedem Satz muss ich möglichst alles wissen, ich hatte eine Riesenrecherche!"
Thomas Mann kämpft um Katia Pringsheim
Im Mittelpunkt steht - ab der ersten Begegnung in der Straßenbahn - Thomas' hartnäckiges Werben um die Münchener Millionärstochter Katia Pringsheim. Katia war auf dem Weg zur Vorlesung bei einem gewissen Prof. Röntgen an der Münchener Universität, aber ihr Fahrschein war unauffindbar. Thomas fiel auf, wie selbstbewusst sie dem Schaffner entgegenrief:
"Jetzt lassen Sie mich schon in Ruh!." (...) Erstaunt und begeistert schaute er Katia nach (...). Ihre Stimme klang noch lange im Ohr. Ziemlich tief für die einer jungen Frau, fast männlich rau. Leseprobe
Katia zeigte sich lange überhaupt nicht interessiert an diesem "leberleidenden Rittmeister", wie sie und ihr Zwillingsbruder Klaus Thomas heimlich nannten. Aber Mann warb weiter hartnäckig um sie:
"Katia, Sie haben es verstanden (...), dass ich in ernsten Absichten mit Ihnen sprechen will, dass ich Ernst machen will mit unserer Beziehung, für die ich nur ein Ja..." - "Nein, nein! So geht das nicht. Sie reden und planen so schnell, als ob sie eine Romanhandlung vorantreiben wollen." Leseprobe
Thomas Mann empfand zwar ehrliche Zuneigung für Katia, aber er wusste auch, wie vorteilhaft diese eheliche Verbindung für ihn wäre. Denn um weiter schreiben zu können, benötigte er die finanzielle Absicherung. Und er musste unbedingt vermeiden, dass seine homoerotische Neigung öffentlich wurde.
"Ein tadelloses Glück": Ein echter Pageturner
Auch wenn die Dialoge manchmal etwas hölzern wirken, in "Ein tadelloses Glück" kommen wir Mann menschlich nahe. Manchmal vielleicht etwas zu nahe. Wenn wir zum Beispiel erfahren, wie Thomas und Katia Mann vor ihrer Hochzeitsnacht medizinischen Rat suchen, um sich gewisse Peinlichkeiten zu ersparen. Dann wird "Ein tadelloses Glück" zum Schlüssellochroman. Aber alles in allem haben wir es mit einem Pageturner zu tun, in dem der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann selbst zum faszinierenden Romanhelden wird.
Ein tadelloses Glück. Der junge Thomas Mann und der Preis des Erfolgs
- Seitenzahl:
- 464 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- DVA
- Bestellnummer:
- 978-3421070364
- Preis:
- 26 €