Krimi des Monats: "Gefährliche Betrachtungen - Der Fall Thomas Mann"
In Tilo Eckardts historischem Krimi steht Literaturnobelpreisträger Thomas Mann im Mittelpunkt. Eckardt hat sich eine vergnügliche Geschichte ausgedacht - auch wenn sie nicht besonders spannend ist.
Wir sind im Jahr 1930 im litauischen Ort Nidden auf der Kurischen Nehrung. Ein Jahr zuvor hat Thomas Mann den Literaturnobelpreis gewonnen und von einem Teil des Preisgeldes ein Sommerhaus in Nidden bauen lassen. Jetzt macht er mit seiner Frau Katia und den jüngsten Kindern Elisabeth und Michael Urlaub an der Ostsee. Er trifft auf einen jungen Litauer mit dem Zungenbrechernamen Zydrūnas Miuleris, den er kurzerhand in Müller umtauft. Müller ist Übersetzer, großer Bewunderer des Schriftstellers und beseelt von dem Wunsch, dessen "Buddenbrooks" ins Litauische zu übertragen. Am Strand treffen die beiden Männer das erste Mal aufeinander:
Thomas Mann überragte mich um einen halben Kopf, wirkte aber noch riesiger wegen seiner kerzengeraden Haltung, wohingegen ich den Kopf zwischen die Schultern zog. Seine Nase hatte die Prominenz eines Schattenwerfers an einer Sonnenuhr, die auf vier Uhr stand. Leseprobe
Thomas Manns Vorbild: Sherlock Holmes
Durch die Verkettung unglücklicher Umstände bringt Müller sein Idol in große Schwierigkeiten: Er verliert dessen Aufzeichnungen zu einer brisanten politischen Rede. (Diese Rede hielt Thomas Mann im Oktober 1930 tatsächlich unter dem Titel: "Deutsche Ansprache. Appell an die Vernunft".) Der berühmte Schriftsteller und sein Bewunderer tun sich zusammen, um die Aufzeichnungen wiederzufinden. Thomas Mann hat auch sogleich ein Vorbild zur Hand:
"Arthur Conan Doyle haben Sie gelesen? (...) Mir geht es um Sherlock Holmes‘ Technik der Ermittlung, um die so genannte Deduktion. Wir müssen deduzieren, wenn wir herausfinden wollen, wo sich die Abschrift meiner Notizen befindet." Leseprobe
Die Amateurdetektive scheinen den Täter aufzuschrecken, denn erst wird in Thomas Manns Arbeitszimmer eingebrochen und dann verschwindet eine Person spurlos, die besonders Müller sehr ans Herz gewachsen ist. Oder ist alles doch ganz anders?
Ein Krimi, bei dem es sehr geruhsam zugeht
Tilo Eckardt hat sich da eine echt vergnügliche Geschichte ausgedacht. Seine Sprache ist sehr elegant und nicht ohne Witz. Er lässt das historische Nidden wieder lebendig werden, die Charaktere sind schön gezeichnet. Besonders Thomas Mann beschreibt Eckardt liebevoll, aber nicht ohne Spitzen:
Wie Thomas Mann da vor mir saß, aufrecht und mit der unvermeidlichen Zigarette im Mundwinkel, den Blick aus dem Fenster in die östliche Ferne gerichtet, sah er wirklich wie jemand aus, dem der Sinn nach einem Abenteuer im echten Leben stand. Es fehlte nur noch, dass er sich die Hemdsärmel hochkrempelte. Leseprobe
Erwähnt werden muss allerdings auch, dass "Gefährliche Betrachtungen" kein Krimi ist, bei dem man vor Spannung an den Nägeln kaut und die Auflösung kaum erwarten kann. Es geht sehr geruhsam zu, Herr Mann pflegt seine ausgedehnten Spaziergänge und Mittagsschläfchen, und Herr Müller braucht wirklich lange, bis ihm endlich ein Licht aufgeht. Erst auf den letzten Seiten wird es nochmal richtig aufregend und es gibt sogar eine Leiche. Und weil das Duo Mann/Müller seinen ersten Fall dann doch gelöst hat, schreibt Tilo Eckardt bereits an einem zweiten Band.
Gefährliche Betrachtungen - Der Fall Thomas Mann
- Seitenzahl:
- 304 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Droemer
- Bestellnummer:
- 978-3-426-56018-1
- Preis:
- 22 €