"Die neue Häschenschule" von Anke Engelke: Bauern, lasst die Sense unten!
"Die Häschenschule" von Fritz Koch-Gotha und Albert Sixtus wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Die Schauspielerin und TV-Moderatorin Anke Engelke hat es neu geschrieben - und das sorgte für einen Sturm der Entrüstung.
Im Februar rauschte es wie wild im Blätterwald und bei Social Media. Damals rollten die Traktoren durch die Republik - alle erinnern sich noch mit Grausen. Die Heugabeln stachen in die Luft, Finanzminister mussten sich wegducken - und plötzlich gab es ein vermeintlich bauernfeindliches Kinderbuch! Auch das noch: "Die neue Häschenschule"! Wieder bekam der arme Bauer auf die Mütze, diesmal gereimt von Anke Engelke.
"Schaut, das Schild, ein Warnhinweis: damit ein jeder sofort weiß: hier bloß nix essen, nix berühren, sonst bekommt man Gift zu spüren!" Leseprobe
Das regte die Bauern ganz schön auf, weil sie hier wie fiese Glyphosat-Schleudern dargestellt wurden, die ohne Sinn und Verstand Felder, Füchse und die Häschen vergiften. Ein regelrechter Shitstorm brach los.
Neuinterpretation der "Häschenschule" von Anke Engelke
Viel Lärm um nichts? Da reimte eine der bekanntesten Komikerinnen der Republik einen 100 Jahre alten Bilderbuchklassiker neu. Die alte "Häschenschule" war schwer reaktionär. Da duckt sich Häschen noch vor dem Lehrer, gereimt von Albert Sixtus: "Und beim letzten Glockenton kommt der alte Lehrer schon, runde Brille, grauer Bart, Ohren lang nach Hasenart. Artig faltet man die Hände bis das Frühgebet zu Ende." Ein klares Feindbild gab es auch: "Von dem alten Fuchs, dem bösen, wird erzählt und vorgelesen, wie er leise husch husch husch schleicht durch Wiese, Feld und Busch."
Das klingt bei Anke Engelke ganz anders. Der Fuchs heißt Brehm, wie bei Brehms Tierleben - ein freundliches Lächeln im von Mareike Ammersken gezeichneten Gesicht. Auf den Bildern trägt er ein rosa T-Shirt mit der Aufschrift "I love Möhre".
"Es stellt sich raus, Brehm ist ganz lieb, kein Hühner- oder Hasendieb. Im Gegenteil: Er lebt vegan, und Möhren haben’s ihm angetan." Leseprobe
Feindbild Mensch
Der vegane Fuchsjunge kommt als neuer Mitschüler in die Klasse von Hasenmädchen Hoppich. Beide werden dicke Freunde. Der neue gemeinsame Feind der Tiere ist hier der Mensch.
"Es ist traurig, aber wahr: Menschen sind eine Gefahr!" Leseprobe
Wobei, genauer gesagt, es ist der Bauer! Dazu sieht man die Häschenklasse an Warnschildern am Rand von Getreidefeldern vorbeigehen, darauf durchgestrichene Häschenohren und glühende Giftsymbole. Dieses Bilderbuch ist sehr langweilig und krampfhaft auf links gebürstet. Fabeln leben vom Zauber, dass menschliche Eigenschaften auf Tiere übertragen werden. Wenn hier aber spröde Fakten auf diese Fabelwelt stoßen, wird es pädagogisch.
"Gift und Fallen und Maschinen sollen nur den Menschen dienen." Leseprobe
Es ist wie bei jedem Buch: Man möchte nicht belehrt werden. So richtig das Anliegen Anke Engelkes ist, die Giftsprüherei zu verteufeln, so sehr wackelt sie doch mit der Möhre vor der Nase des Esels herum. Es ist einfach total vorhersehbar, inklusive Showdown im Getreidefeld, als sich ein Mähdrescher nähert und das Häschen Hoppich zu schreddern droht.
"Sie erschrickt, bleibt plötzlich stehn, jetzt kann sie den Mäher sehn! Eine riesige Maschine rollt zu ihr wie 'ne Lawine." Leseprobe
Mit Schrot auf Häschen schießen
Reim dich, oder ich fress dich. Kinder sind schlauer als das. Dass Anke Engelke aber dafür im Netz als "Systemling" beschimpft wurde, dass dieses harmlose Buch rechte Shitstorms auslöste: Geht’s noch? Das ist geradezu lehrbuchhaft: ein dummer Reflex auf ein dünnes Kinderbuch. Da wird mit Schrot auf Spatzen, äh Häschen, geschossen. Es entlarvt die Feinde von Bilderbüchern, wenn sie darin ihren Gegner entdecken wollen.
Oder besser in Reimen?:
Anke Engelke reimt wie ein Star,
holprig, putzig, wunderbar.
Bauern, lasst die Sense unten,
dieses Buch wird euch nicht munden!
Doch wer sich aufregt, hat verloren.
Schärft den Blick und spitzt die Ohren.
Die neue Häschenschule
- Seitenzahl:
- 40 Seiten
- Genre:
- Kinderbuch
- Zusatzinfo:
- Mit Bildern von Mareike Ammersken, für Kinder ab 4 Jahren
- Verlag:
- Thienemann
- Veröffentlichungsdatum:
- 27. Januar 2024
- Bestellnummer:
- 978-3-480-23838-5
- Preis:
- 14 €