Buch-Cover: Fabio Stassi - Die Seele aller Zufälle © Edition Converso
Buch-Cover: Fabio Stassi - Die Seele aller Zufälle © Edition Converso
Buch-Cover: Fabio Stassi - Die Seele aller Zufälle © Edition Converso
AUDIO: Neue Bücher: "Die Seele aller Zufälle" von Fabio Stassi (5 Min)

"Die Seele aller Zufälle": Ein "Detektivroman", der glücklich macht

Stand: 20.02.2024 06:00 Uhr

Der 1962 in Rom geborene Autor Fabio Stassi gilt als großer Literaturkenner und radikaler Humanist. In seinem neuen Buch geht es um einen Mann, der als Bibliotherapeut arbeitet, also mit Büchern heilen möchte.

von Annemarie Stoltenberg

Fabio Stassis Hauptfigur Signor Corso wirkt wie einer, der im Leben irgendwie so gar nichts wirklich hinbekommt und sich selbst im Weg steht. Er ist ohne Vater aufgewachsen und weiß nicht einmal, wer sein Vater ist. Ein Phantombild begleitet ihn.

Wie oft habe ich mich im Spiegel betrachtet und versucht, seine Gesichtszüge in meinem herauszulesen (…) Mein Vater ändert täglich sein Gesicht. An manchen Morgen meine ich, ihn in einem vornehmen Herrn zu erkennen (…) an anderen Tagen erkenne ich ihn in irgendeinem der Clochards (…). Jahrelang habe ich mich bemüht, die Gesichter aller Menschen, die mir begegnen, im Gedächtnis zu behalten, denn meine schlimmste Zwangsvorstellung ist, ihn getroffen zu haben, ohne es zu wissen. Leseprobe

Ein glücklicheres Leben durch Bibliotherapie

Im Rahmen seiner seltsamen Tätigkeit als Bibliotherapeut wendet sich eine Dame an Signor Corso, die ihn sofort großzügig entlohnt und möchte, dass er ihr in einer schwierigen Angelegenheit hilft. Ihr Bruder leidet an Demenz, murmelt aber immer wieder dieselben Zitate, offenbar Passagen aus der Weltliteratur vor sich hin. Sie vermutet, dass es ihm helfen könnte, wenn man ihm den gesamten Text vorlesen würde. Über die bekannten Suchmuster im Internet ist das leider nicht zu ermitteln. Signor Corsos profunde literarische Kenntnisse sind nun gefragt.

Eine 70-jährige Dame wendet sich in anderer Angelegenheit an Signor Corso. Sie möchte dringend vergessen können:

Ich erspare Ihnen lieber all die Situationen, in denen ich mich blamiert habe, aber ich erinnere mich so genau an jede einzelne, dass es mir jedes Mal vorkommt, als würde ich sie wieder erleben. Sie sind wie Träume, oder besser, Albträume, die ich mit offenen Augen weiterträume. Für mich ist die Erinnerung eine ständige Beschämung. Leseprobe

Einer möchte sich erinnern können, einer möchte vergessen. In kleinen poetischen, wie hingetupften Passagen verschafft Fabio Stassi dem Denken Flügel. Er zeigt, wie man Verbohrte umstimmen oder Geldgierige auf Wichtigeres lenken könnte. Auch wenn er weiß:

Man kann sich vor allem schützen, nur nicht vor sich selbst. Leseprobe

Bücher sind also vielleicht doch nur ein Vorwand? Aber niemand wird bestreiten, dass mit ihnen ein glücklicheres Leben möglich ist.

Weitere Informationen
Buchcover: "Tiere, vor denen man Angst haben muss" von Alina Herbing © Arche

NDR Buch des Monats Februar: "Tiere, vor denen man Angst haben muss"

Alina Herbings Roman verhandelt schlau die Suche nach einem Platz in der Welt. Ihre Worte sind geschmeidig, einfach und doch bildstark. mehr

"Die Seele aller Zufälle": Eine Reise in eine Art Wunderland

Warum so dringend herausgefunden werden sollte, was der demente Bruder murmelt, das ist dann allerdings kein Fall für den Bibliotherapeuten Corso, sondern fordert seine Qualitäten als Detektiv. Man begibt sich, dieses Buch lesend, in so eine Art Wunderland, schläft darüber ein und wacht glücklicher wieder auf.

Die Seele aller Zufälle

von Fabio Stassi
Seitenzahl:
288 Seiten
Genre:
Krimi
Zusatzinfo:
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Verlag:
Edition Converso
Bestellnummer:
978-3-949558-30-6
Preis:
24 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 20.02.2024 | 12:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Krimis

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Sänger Maxim von der Band The Prodigy während eines Auftritts in Kopenhagen 2023. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender 2025 dabei

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für kommendes Jahr angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?