"Die Goldene Höhle": Coming-of-Age-Roman über Anpassung und Widerstand
Cătălin Partenie zeigt in seinem Buch, dass junge Menschen, egal wie dunkel die Zeiten sind, immer träumen und eigene Pläne verfolgen. Eine wunderbare Geschichte über die Gier nach Leben, Anpassung und Widerstand.
Am 21. Dezember 1989 erlebt der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu sein blaues Wunder. Er wird auf einer öffentlichen Kundgebung vom eigenen Volk ausgebuht. Kurz darauf muss er fliehen und wird nur wenige Tage später standrechtlich erschossen. Das Land ist im Aufruhr. Fane, der Protagonist in Cătălin Partenies Roman, erlebt diese Zeit als Jugendlicher. Für ihn bedeutet die rumänische Revolution zuallererst Verlust:
"Paul war mein bester Freund. Ich weiß nicht, wer ihn erschossen hat. Das habe ich Dir ja schon am Telefon gesagt. Ich weiß bloß, dass er vor dem Muzica erschossen wurde. Ein Bild habe ich nicht von ihm. Und auch keinerlei Aufnahmen davon, was wir gespielt haben. Mama hat gesagt, ich soll Dir nichts verschweigen. Also mache ich es auch nicht." Leseprobe
Paul wird gleich zu Beginn der Aufstände erschossen. Ausgerechnet Paul, der eigentlich längst außer Gefahr war.
Ein aberwitziger Plan im stalinistischen Rumänien
Cătălin Partenies Geschichte setzt ein reichliches Jahr vor der Revolution ein. Fane, der Ich-Erzähler, lernt den vier Jahre Älteren zufällig bei Musikaufnahmen kennen. Paul ist Schlagzeuger und Philosophiestudent. Und er hat einen Plan:
"Weißt du, wir machen viel Logik. Weiß Gott warum, denn der Marxismus hat damit nichts zu tun. Jedenfalls kommt im dritten Jahr ein brutales Logikexamen, und da falle ich dann durch. Da fallen viele durch, aber dann lernen sie wie verrückt und bestehen im September die Wiederholungsprüfung. Aber ich, ich falle auch bei der Wiederholung durch." Leseprobe
Wenn er dann exmatrikuliert wird, ist Paul frei und will nur noch Musik machen. Ein aberwitziger Plan im stalinistischen Rumänien. In Cătălin Partenies Roman wirkt das Land wie eine groteske, wahnhafte und lebensfeindliche Dystopie. Lebensmittelgeschäfte sind wie leergefegt und zu kaufen gibt es, wenn überhaupt, nur nicht überlebenswichtige Dinge:
"Viele Leute gingen, ich aber ging hinein, und da gab es in allen Geschäften doch etwas zu kaufen: eine perlende Limonade, sehr gelb, angeblich aus Orangen. Cico hieß sie. Sie wurde in schmalen Fläschchen verkauft, und in jedem Geschäft dieses riesigen Einkaufszentrums stand eine junge Frau in einem weißen gestärkten Kleid, hinter ihr ein großes Regal voller Flaschen Cico."
"Die Goldene Höhle": Eine zarte Coming-of-Age-Geschichte
Cătălin Partenie erzählt mit leichtem, anarchischem Humor eine wunderbar zarte Coming-of-Age-Geschichte. Sein Protagonist Fane ist anfangs recht naiv und nimmt die absurden Regeln und Gesetze nahezu stoisch hin. Durch die Freundschaft mit Paul erwacht sein Widerspruchsgeist. Partenie zeigt, dass junge Menschen, egal wie dunkel die Zeiten sind, immer träumen und eigene Pläne verfolgen. Fane beginnt Gitarre zu spielen und probt mit Paul in einem heruntergekommenen Theaterfundus. Neu dazugekommen ist die Kellnerin Oksana, auch sie eine Außenseiterin. Und dann verschwindet Paul:
"Etwa einen Monat später rief Paul (...) aus Belgrad an. Es war ein kurzes Gespräch. Er sagte, er sei durch die Donau geschwommen und habe es bis ans jugoslawische Ufer geschafft, wo eine Patrouille ihn festnahm. Er sei jetzt politischer Flüchtling unter dem Schutz des UN-Flüchtlingshochkommissars." Leseprobe
Paul schafft es bis nach Kanada. Aber beim Ausbruch der Revolution zieht es ihn zurück nach Bukarest...
"Die Goldene Höhle" ist eine wunderbare Geschichte über die Gier nach Leben, nach Anpassung und Widerstand. Und über die vermutlich schrecklichste Diktatur im damaligen Ostblock.
Die Goldene Höhle
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Eike Schönfeld
- Verlag:
- Hoffmann & Campe
- Bestellnummer:
- 978-3-455-01547-8
- Preis:
- 17,99 €