"Der Wald": Krimi, Zukunftsanalyse und Gesellschaftsroman
Die neuseeländische Autorin Eleanor Catton greift in ihrem neuen Roman gekonnt die Themen unserer Zeit auf. In "Im Wald" versuchen Umweltaktivisten überall in der Stadt Gemüse anzupflanzen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Gruppe junger Menschen, die ein ganz besonderes Projekt gegründet haben. "Birnam Wood" nennen sie ihr kollektives Bemühen darum, überall in der Stadt Gemüse anzupflanzen - in verlassenen Hinterhöfen, Parkanlagen, vernachlässigten Schrebergärten oder einfach an Straßenrändern. Sie tun es illegal, aber sie empfinden sich so sehr als ökologische Avantgarde, dass sie sich dazu berechtigt fühlen. Irgendwann, so hoffen sie, rentiert es sich, wenn Möhren, Brokkoli, Lauch, Salat, und Kräuter ihrer eigenen Versorgung dienen und sie dann ihre Ernte auf dem Markt verkaufen können.
Eine Schussfahrt in den Abgrund
Wie in vielen Arbeitsgruppen gibt es innerhalb des Teams eine kleine Elite, die die Sache vorantreibt. In diesem Fall wirken Mira und Tony wie die Hefe des ganzen Unterfangens. Nach einer missglückten Liebesgeschichte und einem Missverständnis zwischen ihnen war Tony eine Weile weg und kommt dann wieder. Er möchte seine Beziehung zu Mira in Ordnung bringen:
Gleich am ersten Samstag, nachdem er sie auf dem Fahrrad gesehen hatte, war er dort hingefahren, in der Hoffnung, ihr Einsatzplan hätte sich in all den Jahren seiner Abwesenheit nicht geändert (…). Doch als er auf den Parkplatz fuhr und den Wagen ausschalten und aussteigen wollte, sah er, dass Mira wieder ins Gespräch vertieft war (…). In keiner von Tonys Fantasien über ihre Wiederbegegnung war eine dritte Person vorgekommen (…). Leseprobe
Die kleinen oder größeren narzisstischen Kränkungen der hochsensiblen Persönlichkeiten werden von Eleanor Catton gekonnt auf die Schippe genommen.
Sein Erscheinen vor der Wohnung am Nachmittag war sorgfältiger vorbereitet, von seiner Kleidung über sein Ankommen bis zum Inhalt seines Rucksacks. (…) Er hatte zwar nicht angerufen, aber das gehörte zu der Abmachung zwischen ihm und Mira, so wenig wie möglich über das Netz zu kommunizieren. Leseprobe
Sie laufen dann doch aneinander vorbei und kämpfen an unterschiedlichen Enden um die gute Sache. Es beginnt also gemächlich und wird dann zu einer unglaublichen Schussfahrt in einen wirklich pechschwarzen Abgrund.
Pakt mit dem Teufel
Mira interessiert sich für ein riesiges Gelände in einem abgelegenen Tal, das parzelliert und verkauft werden sollte. Durch einen Erdrutsch ist es kaum noch erreichbar. Sie fährt dorthin und lernt einen Multimilliardär kennen, der offenbar über das Projekt "Birnam Wood" genau Bescheid weiß. Robert Lemoine bietet Mira viel Geld, damit sie und ihre Mitstreiterinnen auf dem Gelände pflanzen können. Mira ist begeistert. Ihr Ex-Freund Tony hat sich auf ihren Spuren ebenfalls aufgemacht und recherchiert in dem Tal, warum dort militärisch organisierte Sicherheitsdienste das Gelände scharf bewachen und vor allem, wie es zu der großen Umweltkatastrophe kommen konnte. Er findet heraus, dass Mira, ohne es zu merken, mit dem amerikanischen Investor einen Teufelspakt geschlossen hat, in einer schuldhaften Verstrickung beider Seiten.
Wenn die Superreichen mit der Zukunft der Menschheit spielen
Eleanor Cattons Roman ist eine luzide und mit Eleganz komponierte Spekulation darüber, was offenbar manche der Superreichen dieser Welt mit ihrem unermesslichen Vermögen anfangen. Genug Besitz kann es sowieso nie sein und die Versuche, es noch weiter zu vermehren, kosten nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft der Menschheit.
Der Wald
- Seitenzahl:
- 512 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Melanie Walz und Meredith Barth
- Verlag:
- btb
- Bestellnummer:
- 978-3-442-75764-0
- Preis:
- 25 €