Comic-Tipps im Dezember: Berührende Graphic Novels für Erwachsene
Wir stellen drei Graphic Novels vor, die alle das Zwischenmenschliche zum Hauptthema haben - passend zur Weihnachtszeit: "Letztes Wochenende im Januar", "Die Leiche und das Sofa" und "Vatermilch".
"Letztes Wochenende im Januar": Wunderbare Love-Story
Anfang des Jahres pilgern rund 200.000 Comic-Fans nach Angoulême in der Nähe von Bordeaux zum größten Comic-Festival Europas. "Letztes Wochenende im Januar" - so ist auch der gleichnamige Titel der Graphic Novel von Bastien Vivès. Darin reist ein alteingesessener Zeichner für vier Tage in den beschaulichen Ort zu Signierstunden und Galerie-Kontakten. Brille, Schnurrbart, tiefe Geheimratsecken - Typ: Verwaltungsangestellter. Seine Lebensfreude ist eher den frischen Temperaturen angepasst. Das ändert sich, als er die attraktive Frau eines Fans kennenlernt. Danach ist nichts mehr wie vorher.
Autor und Zeichner Bastien Vivès hat mit seinem schlichten Schwarz-Weiß-Stil eine wunderbare Lebens- und Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der großen Festival-Sause mit den unzähligen Comic-Nerds geschaffen. Wir bekommen zudem Einblick in die Terminkalender, Abläufe und Gefühlswelten der Zeichnergötter. "Letztes Wochenende im Januar" klingt nicht nur wie ein romantischer französischer Film, das Buch liest sich auch genauso - eine Frage der Zeit, wann es auf der Leinwand erscheint. Für Comic-Fans, aber auch für gnadenlose Romantiker ein besonderer Stern am Weihnachtsbaum.
"Die Leiche und das Sofa": Spannende Coming-of-Age-Geschichte
Der Sommer scheint für den jungen Polo einsam und langweilig zu werden. Da ein Junge vermisst wird, trauen sich sämtliche Kinder im Dorf nicht aus dem Haus. Allein streunt er über die weiten Felder und Wiesen. Dabei lernt er die gleichaltrige Sophie kennen, die ihren Vater über die Sommerferien besucht. Beide verbringen viel Zeit zusammen. Eines Tages findet Polo die Leiche des vermissten Jungen und alles wird irgendwie ein bisschen mystisch, auch mit Sophie.
Was sich nach einer düster-makaberen Story anhört, setzt Zeichner Tony Sandoval mit seinem träumerisch-melancholischen Strich in eine Coming-of-Age-Geschichte um. "Die Leiche und das Sofa", so der Titel dieser Graphic Novel, fasziniert durch die Leichtigkeit der Zeichnungen, aber auch durch die Rhythmik und Spannung der Geschichte.
"Vatermilch": Berührende Vater-Sohn-Chronik
Ein Mann schleppt sich durch die Straßen Münchens. Der Alkohol hilft ihm kurzzeitig, seine Vergangenheit zu vergessen, in der er erfolgreicher Handelsvertreter war, Familienvater, Schürzenjäger - aber auch Schuld hatte an einem tödlichen Verkehrsunfall, bei dem er Fahrerflucht beging. Irgendwie hängt er fest zwischen Aufgeben und Neustart. Schnitt. Jahre später unternimmt eine dreiköpfige Familie eine Bergwanderung. Der Vater stolpert hinterher. Beide Männer verbindet etwas: Sie sind Vater und Sohn. Der Sohn ist Uli Oesterle, Autor und Zeichner von "Vatermilch".
In der auf vier Bände angelegten Geschichte erzählt Oesterle von seinem Vater, so wie es vielleicht hätte stattfinden können, denn ihn selbst hat er nie kennengelernt. Oesterle erzählt aber auch seine eigene Geschichte, die mit Verlust, Wut und vielen Fragezeichen zu tun hat. Alles gewürzt mit viel Humor, Menschlichkeit, Zweifel und einer Menge innerer Liebe und Wahrhaftigkeit.
Oesterles Zeichnungen sind gleichzeitig verspielt und illustrativ. Die verschiedenen Handlungsstränge setzen sich wie in Zeitlupe logisch zusammen und entwickeln eine komplexe Welt - Krimi, Sozial-Drama und Biopic in einem. Der nun erschienene zweite Band seiner auf vier Bände angelegten autobiografisch-fiktionalen Vater-Sohn-Chronik ist eines der intelligentesten, berührendsten und witzigsten Bücher zum Jahresende.