Graphic Novels "United Queerdom", "Togetherness" und "Just Mary"
Auf der Frankfurter Buchmesse gab es Einiges aus der Comic-Sparte zu entdecken. Drei Bücher, die sich im Oktober besonders lohnen anzuschauen, handeln und stammen von außergewöhnlichen Frauen.
"United Queerdom": Berührende Chronik der englischen LGBTQ-Bewegung
England in den 60er-, 70er-Jahren: Trotz sexueller Revolution hat es die schwul-lesbische Community auf der Insel nicht leicht. Nach wie vor werden ihre Anhänger verfolgt, diskriminiert und angeklagt. Die heute 73-jährige Cartoonistin Kate Charlesworth erzählt die ganze Geschichte dieser queeren Bewegung in ihrem Buch "United Queerdom". Frech, voller Witz und sehr persönlich: "Es sind meine Erinnerungen und meine Geschichte, aber ich habe es nicht als meine Geschichte erzählen wollen. Es geht eher um zweierlei Sachen: zum einen um die Geschichte von LGBT in England und meine Erinnerungen daran - vom Beginn 1952 bis jetzt. Meine eigene Lebensgeschichte hab ich als Aufhänger verwendet, um diese größte Geschichte aller Zeiten zu erzählen."
Wie in einem Brennglas verdichtet Kate Charlesworth ihren Kummer, ihre Freude, Liebe, Einsamkeit und auch Trauer - wie bei dem Tod ihres Vaters, mit unzähligen historischen Fakten. Dafür hat sie am Computer Collagen aus Zeitungen und Magazinen zusammengefügt und mit Zeichnungen ergänzt. So öffnet sich das Fenster zur englischen LGBTQ-Bewegung damit weit und man erfährt viele Kleinigkeiten, die das Gespür für die Menschen und die Zeit erst erlebbar machen. "United Queerdom" ist eine historische queere Chronik im Gewand einer berührenden Biografie einer einmaligen Zeichnerin und Aktivistin.
"Togetherness": Jubiläumsausgabe mit 20 Kurzgeschichten
Zwei Jahrzehnte gibt es das Comic-Magazin Spring schon: von Zeichnerinnen - für Zeichnerinnen. Zum 20. Mal gibt das Kollektiv Raum und schafft mit dem Buch vor allem eine relevante und vielbeachtete Veröffentlichung, die nicht so leicht auf dem Comic- und Graphic-Novel-Markt zu bekommen ist: divers, überraschend und kompromisslos. Da trifft zum Beispiel die textreiche und zeichnerisch vielschichtige Erzählung "Wer hat Angst vor Maren Kroymann" von Julia Bernhard auf die wortlose und an den "Tanz" on Matisse erinnernde Geschichte "Together" von Katrin Stangl.
Überschrift der Jubiläumsausgabe ist "Togetherness": ein klares Statement, das Zeichnerinnen wie Birgit Weyhe, Sophia Martineck, Anne Vagt oder Maren Amini setzen. Darin sind 20 Kurzgeschichten, die durch ihre Unterschiedlichkeit glänzen, aber auch einen Einblick in das derzeitige visuelle Verständnis von grafischen Erzählungen geben. Man spürt auf den Seiten die Freude am Zeichenstift und die Kraft seiner Erzählmacht.
"Just Mary": Maria, Joseph und Jesus in der Gegenwart
Monty Python hat es bei "Das Leben des Brian" vorgemacht: Schwarzer Humor trifft auf Religion. Nun zieht die italienische Zeichnerin Paola Morpheus nach und erzählt die Geschichte von Mutter Maria neu. Die 33-Jährige katapultiert Joseph, Jesus und den lieben Gott in die Gegenwart. Dort werden Vergleiche zu "Game of Thrones" gezogen, wenn Maria die Verwandtschaftsverhältnisse von Jesus zu Gott herstellt oder da müssen per Smartphone die neuesten Likes über einen Abtreibungspost von Gott diskutiert werden. Das alles ist mit einer herrlichen Leichtigkeit und Cartoon-Haftigkeit gezeichnet.
"Just Mary", so der Titel dieser Graphic Novel, kommt ohne Panels und Rahmen aus. Jede Zeichnung hat eine Seite, manchmal sogar eine doppelte. Viel Schwung und Rhythmus liegt in der Erzählung von Paola Morpheus, die so manche jahrtausendealte Glaubenslehre nach ihrer aktuellen Wahrhaftigkeit abklopft. Ein großer Spaß, aber auch ein kurzweiliges Vergnügen, von einer Zeichnerin, von der man sich noch weitere bissige Bücher wünscht.