Bodo Kirchhoffs neuer großer Wurf: "Seit er sein Leben mit einem Tier teilt"
Was bei anderen schnell peinlich klingt oder hölzern, wird bei Bodo Kirchhoff bravourös zu Geschichten. Sein neues Buch heißt "Seit er sein Leben mit einem Tier teilt".
Er ist angerichtet: Ein neuer "Kirchhoff" ist servierfertig! Handlungsort ist der Gardasee, wo Kirchhoff selbst ein Haus besitzt und er auch zuvor schon Romane hat spielen lassen. "Ich kenne diese Landschaft sehr gut und deshalb schreibe ich über sie", so Kirchhoff. "Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass man die Empfindungen, von denen man erzählt, kennt."
Kirchhoff gleich Schongauer?
Die Empfindungen, die Kirchhoff kennt, sind die seiner Hauptfigur Louis Arthur Schongauer. Die Figur ist Kirchhoff sehr ähnlich: Er ist Künstler wie Kirchhoff, ebenfalls Hundeliebhaber, ebenfalls 75 - zumindest fast: "Ich setze mich immer sehr stark mit der Gegenwart meines Alters oder mit dem Alter der Menschen, die mir nahestehen, auseinander. Und bei Schongauer ist es fast identisch. Das ist das, was mir am allernächsten ist, wo ich, glaube ich, auch am meisten drüber weiß. Man soll überhaupt nur über Dinge schreiben, über die man etwas weiß."
Bliebe noch die Handlung: Und die ist wieder typisch kirchhoff’sch! Eine junge Reisebloggerin, Frida, 24, strandet mit ihrem Wohnmobil in der Einfahrt des alten Mannes L.A. Schongauer, der nach dem nie endgültig entschlüsselten Unfalltod seiner Frau mit der Hündin Ascha zurückgezogen am Hang des Gardasees lebt. Frida bleibt und tags drauf kommt Almut dazu. Eine 45-jährige Journalistin aus Deutschland, die Schongauer, den fast vergessenen Kleindarsteller in Hollywood, dem Vergessen entreißen will.
Melancholische Dreisamkeit
Alle drei, so unterschiedlich sich ihre Lebenssituationen auch darstellen, sind Suchende: nach Sinn, nach Glück, nach Liebe. Nur Ascha, Schongauers Hündin, scheint bedingungslos glücklich und zufrieden. "Ohne Wissen um die Zeit", wie Schongauer glaubt. Er wünschte sich "an ihrer Stelle auf die Welt gekommen zu sein".
Stattdessen sieht sich Schongauer mit den bohrenden Fragen der (natürlich!) attraktiven Journalistin nach seinem Leben konfrontiert, seinem Leben im Ganzen: den nachvollziehbaren Stationen, aber auch den Hoffnungen und Sehnsüchten, den Verfehlungen und Niederlagen. Fast immer geht es um Frauen. "Es ist ganz dicht an meinen eigenen Empfindungen. Die Fehler, die Schongauer in seinem Leben gemacht hat, habe ich in anderer Weise auch gemacht. Ich glaube, ich habe in vielen Dingen einen ähnlichen Schmerz und eine ähnliche Scham empfunden. Und davon erzähle ich", sagt Kirchhoff.
Bodo Kirchhoff - Stilist von hohen Gnaden
Warum dieses Kirchhoff-Mahl kein trivial-übersüßtes Menü, keine unappetitliche Altherrenprosa über Sehnsüchte und Erotik, kein abgeschmacktes Lüstlingsbrei wird? Weil Kirchhoff Kirchhoff ist: ein Stilist von hohen Gnaden: "Es ist für mich immer wieder eine große Herausforderung und auch die Anstrengung des Schreibens wert, dazu eine Sprache zu finden, die nicht so ist, wie ich sie woanders lese. Da eine Sprache zu finden, die auch vom Ton her dem entspricht, das ist für mich der Mühe wert."
Das gelingt Kirchhoff immer wieder. Was bei anderen schnell peinlich klingt oder hölzern - das Nachdenken über das große Ganze, das Sinnieren über Sexualität und Erotik - das ist bei Kirchhoff bravourös zu Geschichten gewunden und hochpoetisch erzählt. Ein neuer Kirchhoff, ein neuer großer Wurf!
Seit er sein Leben mit einem Tier teilt
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-44264-0
- Preis:
- 19,99 €