Historikerin Annette Kehnel gewinnt NDR Sachbuchpreis 2021
Die Historikerin Annette Kehnel hat den NDR Sachbuchpreis 2021 für ihr Buch "Wir konnten auch anders" bekommen. Darin beschreibt sie anschaulich, wie wir von nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsformen der Vormoderne lernen können.
Die Begrenztheit der Ressourcen, der Klimawandel, das Artensterben - die Herausforderungen unserer Zeit drängen die Menschheit zu nachhaltigeren Lebensformen. Die Sehnsucht nach Alternativen ist groß, doch wir tun uns schwer, neue Wege zu finden. "Annette Kehnel zeigt, dass auf dem Lösungsweg der drängenden Fragen zur Nachhaltigkeit schon längst jemand da gewesen ist", sagte Jury-Vorsitzende Katja Marx in ihrer Laudatio auf die Historikerin. "Baustoffrecycling oder Kreislaufökonomie, Microfinance und Crowdfunding - das sind keine Konzepte der Moderne, sondern unsere Vorfahren waren uns beim Thema Nachhaltigkeit schon weit voraus." Wunderbar zugänglich und anschaulich weite sie mit ihrem Buch "Wir konnten auch anders - Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit" unseren verengten Blick auf die Vergangenheit und öffne ihn nach vorn.
Annette Kehnel: "Wir haben Angst vor Veränderungen"
Annette Kehnel bekam den NDR Sachbuchpreis in einer feierlichen Gala im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes überreicht. Im Gespräch mit Moderatorin Bianca Hauda stellte sie klar, dass es ihr nicht darum gehe, die Vergangenheit nachzuahmen: "Die Geschichte gibt uns wenn überhaupt Inspirationen. Sie zeigt uns, dass das, was wir heute als alternativlosen Zustand begreifen, eben nicht alternativlos ist - wir konnten auch anders." Das Festhalten am Status Quo sei derzeit das größte Hindernis. "Wir haben Angst vor Veränderungen, Angst vor Verlusten", schilderte Kehnel. "Und Angst ist bekanntlich ein sehr schlechter Ratgeber." Stattdessen wolle sie mit ihrem Buch für Mut zu neuen Ideen plädieren.
"Österreicher retten die Welt"
Annette Kehnels Buch ist ein Ratgeber gegen die Angst. Und dieses Motiv zog sich durch die ganze Preisverleihung: Wissenschaft und Fakten müssen keine Ängste wecken, sondern können richtig Spaß machen. Das beweist auch die Kabarettgruppe Science Busters aus Österreich. Mit kurzen Kabarett-Nummern lockerte sie das Programm auf und bewies dabei, wie gut Wissenschaft und bissiger Humor zusammenpassen. Unter anderem stellten sie unter dem Motto "Österreicher retten die Welt" eine von Forschenden der Uni Linz entwickelte Möglichkeit vor, wie Kohlendioxid in Zukunft energieeffizient in Alkohol verwandelt werden könne. "Also Österreichs Beitrag zum Klimaschutz ist ein Reparaturbier von der Uni Linz", fasste Kabarettist Martin Puntigam die Erläuterungen zusammen.
LifeScienceXplained-Preis an Martin Moder
Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des LifeScienceXplained-Preis an Martin Moder für seinen Youtube-Kanal Make Europe Gscheit Again. Während der Pandemie beschloss der Österreicher, sein Wissen aus der Molekularbiologie auf unterhaltsame Weise mit der Welt zu teilen. Auf seinem Kanal erklärt er die Grundlagen von Viren und Impfstoffen und entzaubert hartnäckige Mythen. Überzeugend fand die Jury insbesondere die Erklärung der Wirkungsweise der mRNA-Impfung gegen das Coronavirus anhand einer Orange. Der Preis zeichnet junge Kommunikatorinnen und Kommunikatoren bis 35 Jahre aus, die Wissenschaft einem breiten Publikum auf besonders verständliche, innovative und kreative Weise näherbringen und erklären.
Für ein Wohlfühlklima an dieser 2G-Veranstaltung sorgten zudem Bianca Hauda als Moderatorin und der 23-jährige Berliner Sänger Lie Ning. Mit seiner samtweichen Stimme erleuchtete er den etwas nüchternen Saal auf dem Campus der Sartorius AG und schuf eine verblüffende und gleichzeitig umhüllende intime Atmosphäre.
Markus Rex und Stefan Weidner gehen leer aus
Neben Annette Kehnel standen der Polarforscher Markus Rex mit "Eingefroren am Nordpol - Das Logbuch von der Polarstern" und Islamwissenschaftler Stefan Weidner mit "Ground Zero - 9/11 und die Geburt der Gegenwart" auf der Shortlist und hatten sich Hoffnungen auf die Auszeichnung gemacht. Beide konnten jedoch nicht persönlich dabei sein. Polarforscher Markus Rex der Autor von "Eingefroren am Nordpol" hat gute Gründe: er ist beim UN-Klimagipfel in Glasgow.
Rex zeigt in seinem Logbuch von der Polarstern die Geschichte eines der größten Forschungsabenteuer unserer Tage und bietet zugleich einen eindringlichen Blick auf die dramatischen Folgen des Klimawandels. Spannend und anschaulich berichtet er vom Alltag der Expedition in die Arktis. Stefan Weidner zeigt in seinem Buch "Ground Zero", dass die Anschläge vom 11. September 2001 das Verhältnis der sogenannten Westlichen Welt zum Islam bis heute prägen.
Alle drei Bücher suchen den Weg in die Vergangenheit, um daraus Lehren für unsere Gegenwart abzuleiten. Sachbücher sind gefragt, in einer Zeit, in der die Debatten um Fakten aufgeheizt sind. Sie stellen die richtigen Fragen, sie nehmen uns mit: hinauf ins Gebirge der Nachhaltigkeit, wie Jury-Direktorin Katja Marx es in ihrer Laudatio beschrieb: "Neue Wege auf einem bis dahin scheinbar unbekannten Gelände." Annette Kehnels "Wir konnten auch anders" zeigt: Da sind schon Spuren im Schnee.