Kultur trotz Krieg: Musik, Theater und Bildende Kunst in Lviv
Eine ehemalige Lebensmittelfabrik im Industriegebiet von Lviv, Ukraine, ist zu einem Kultur-Zentrum umgebaut worden. Wie geht es weiter in Zeiten von existentieller Bedrohung und großer weltpolitischer Unsicherheit?
Das Jam Factory Arts Center in Lviv öffnete nach der Renovierung im November 2023, wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eineinhalb Jahre später als geplant. Seitdem veranstaltet das Kulturzentrum trotz des Krieges regelmäßig Musik, Theater und Bildende Kunst, berichtet Bozhena Pelenska. Sie ist Kuratorin und künstlerische Programmdirektorin des Jam Factory Arts Center, dessen Finanzierung durch verschiedene, auch ausländische Stiftungen relativ stabil ist. Es gibt auch Vorträge, Diskussionen, Unterricht für Kinder - und natürlich Raum für professionelle Kunstschaffende, ihre Werke zu zeigen.
Stromausfälle und Mitarbeiter-Mangel
Am Morgen nach der Sicherheitskonferenz in München hat Bozhena Pelenska dunkle Ringe unter den Augen. Sie macht sich große Sorgen und kaum Illusionen, dass weniger harte Zeiten auf sie zukommen: "Eine der größten Herausforderungen im Moment besteht darin, zu verstehen, wo wir stehen und wie die nahe Zukunft aussehen wird. Eine weitere große Herausforderung sind die Menschen. Uns fehlen die Mitarbeitenden. Viele sind ins Ausland gegangen, andere wurden zur Armee eingezogen und wieder andere haben ihren Beruf gewechselt."
Bozhena Pelenska hat Kulturwissenschaftsstudien in Ottawa und Lviv abgeschlossen. Sie will als Direktorin der Jam Factory wie bisher weitermachen, auch wenn Mitarbeiter an die Front eingezogen werden, beispielsweise der ukrainische Musiker Mark Tokar, der in der Armee dient, aber einige Tage frei bekam für die Zusammenarbeit mit dem Berliner Musiker Klaus Kugel.
Bozena Pelenska: "Wir müssen wachsam sein"
Mit dem INSO Lviv, einem jungen Symphonieorchester, hat die ukrainische Sängerin Tamara Lukasheva, die in Köln lebt, im vergangenen Jahr das Album "Anima" herausgebracht. Für ein Orchester ist die Bühne der Jam Factory zu klein, aber Tamara Lukasheva hat zu Weihnachten in der Jam Factory ein Solokonzert gegeben mit Gesang und Piano.
"Kunst ist Ausdruck des Inneren, und ich glaube, die Rolle der zeitgenössischen Kunst besteht darin, dies widerzuspiegeln", meint Bozhena Pelenska. Insbesondere die zeitgenössische Kunst habe darüber hinaus die Rolle, gesellschaftliche Vorgänge zu reflektieren - das sei wesentlich für demokratische Gesellschaften. "Wir müssen wachsam sein", sagt Bozena Pelenska: "Kultur ist etwas, was wir gemeinsam erschaffen durch künstlerische Aktivitäten und Reflexionen. Die Arbeit der Jam Factory in Lviv spielt eine wichtige Rolle darin, kulturelle Identität zu stärken und Kultur zu übermitteln, während so wichtige Umwälzungen stattfinden."
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