Seraphina Kalze: "Von heute auf morgen kann alles anders sein"
Im NDR Fernsehen hat Moderatorin Seraphina Kalze aus ihrem häuslichen Pflege-Alltag mit ihrem kranken Vater nach dessen Schlaganfall erzählt. Mit ihrem Buch "Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht" macht sie pflegenden Angehörigen Mut.
"Wie lautet das spanische Wort für Sonnenbrand am Penis?" DAS!-Moderatorin Inka Schneider hatte Seraphina Kalze in der Sendung gebeten, "einen rauszuhauen" - und dann das. "Oh mein Gott, gleich so ein Ding - dann sag's", bittet Schneider. Kalzes Antwort: "Ganz einfach: Lanzarote!"
Witze-Erzählerin, Wahl-Hamburgerin, Sachbuch-Autorin
Seraphina Kalze liebt Witze, auch die der flachen Sorte, und erzählt sie herrlich komisch auf Instagram - wenn sie denn vor lauter Lachen überhaupt zum Ende kommt. Bekannt wurde die Wahl-Hamburgerin als Moderatorin des Wissensmagazins "Abenteuer Leben täglich" auf Kabel 1. Außerdem singt sie und ist als Entertainerin mit ihrem Programm "Jetzt fetzt!" auf Tour. Der Titel ist für die Mutter von zwei Kindern eine Aufforderung, "dass man sich auf die Gegenwart konzentrieren und Träume oder Wünsche nicht verschieben sollte."
Jetzt hat Kalze ihr erstes, sehr persönliches Buch geschrieben. In "Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht" berichtet sie aus dem Alltag mit ihrem schwerkranken Vater - und schafft es zwischen Tränen und Situationskomik, Lebensfreude zu vermitteln.
Schlaganfall nach Routine-Operation
Vor Jahren, noch vor der Geburt ihrer Kinder, musste sich Kalzes Vater Hartmut einer Bypass-Operation unterziehen. Eigentlich ein Routineeingriff, bei dem verengte oder verstopfte Herzkranzgefäße durch eine Umleitung umgangen werden, um die Sauerstoffversorgung des Herzens sicherzustellen. Nachdem sie ihn ins Krankenhaus gebracht hatte und nach Hause gefahren war, bekommt sie am nächsten Tag einen Anruf: "Ihr Vater hat während der Operation einen schweren Schlaganfall erlitten. Es tut uns sehr leid. Können Sie herkommen?"
"Bei einem Schlaganfall passieren viele Dinge, wenn du den nicht innerhalb kürzester Zeit behandelst", erklärt Kalze. "Das konnte man in dem Fall nicht, weil er eben nicht wach war. Er hat seinen Schlaganfall eigentlich verschlafen." Die Tochter wird nach ihrer Ankunft im Krankenhaus Zeuge eines rasanten Verfalls. "Als ich ankam, war mein Vater noch ansprechbar, konnte aber schon nicht mehr sprechen. Dann ging die Atmung weg und er fiel ins Koma. Das zieht alles etwas mit sich, wenn im Gehirn auf einmal Bereiche ausgeknipst werden."
Plötzlich ist der Vater ein Pflegefall
Auf einen Schlag verändert sich das Leben von Vater und Tochter komplett. Kalzes Mutter war schon vier Jahre zuvor gestorben. Ihr Vater ist nach dem Schlaganfall halbseitig gelähmt und sie wird zur pflegenden Angehörigen. "Es galt, den Schalter umzulegen", erinnert sie sich. "Volle Kraft voraus und erstmal alles tun, damit die Lampen da oben möglichst an bleiben. Auch im Koma kann man das schaffen." Erst mit der Zeit habe sie realisiert, wie viel Schaden der Schlaganfall angerichtet hatte.
Kalzes Vater erwacht aus dem Koma, kommt in eine Reha. "Drei Monate vor Abschluss wirst du darauf vorbereitet, dass der Patient entlassen wird und gefragt, wie es weitergehen soll." Ihr Vater kann nicht zurück in seine Wohnung, nicht mehr allein leben. "Für mich war klar: Um weiter zu verstehen, was mit ihm passiert, kann ich ihn nicht irgendwohin abgeben, wo ich hinfahren muss. Der muss nah bei mir sein, dass ich das verinnerlichen kann."
Die Stärke behalten, die er verloren hat
"Ich habe dann mit ihm gesprochen, ob er sich vorstellen kann, zu uns zu kommen", erinnert sich die Kalze. "Er war so hilflos. Ich glaube, am Ende machst du das alles irgendwie mit." Somit zieht der Vater bei ihr und ihrem Mann ein. Sie muss die Stärke behalten, die er verloren hat. Sie fängt an, mit ihm sprechen und laufen zu lernen. Auch ihr Mann übt mit ihm, wieder auf die Beine zu kommen.
Hartmut bleibt drei Jahre. In ihrem Buch beschreibt seine Tochter den Alltag mit ihm - darunter intime Situationen der Pflege, aber auch Dinge wie Ausflüge. Denn Kalze nimmt ihren Vater mit zu Freunden, zu Grillabenden und sogar zum Campen. Das Buch "Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht" kann anderen pflegenden Angehörigen Mut machen - und gibt Tipps, wie man mit der neuen Lebenssituation umgehen kann.
"Ich möchte jeden Tag versuchen, einen guten Tag zu haben"
Mittlerweile wohnt Hartmut Kalze in seiner eigenen Wohnung, zehn Fußminuten von ihrem eigenen Zuhause in Hamburg-Ottensen entfernt - oder "eine Hunderunde", wie sie sagt. Außerdem kümmert sich ein Pflegedienst mindestens acht Stunden am Tag um ihn.
"Dass von heute auf morgen wirklich alles anders werden kann, hat mich dazu bewegt, zu sagen: Ich möchte jeden Tag versuchen, einen guten Tag zu haben", sagt Seraphina Kalze. Außerdem hat sie für sich erkannt: "Ich kann nicht die ganze Welt verbessern, sondern nur versuchen, das stückchenweise in meinem Wirkungskreis zu tun. Deshalb gucke ich: Wie geht's allen so um mich herum?"