Saša Stanišić: Hamburger Sprachartist mit Fantasie und Humor
Saša Stanišić gehört zu den wichtigsten deutschen Autoren der Gegenwart. Seine Romane wie "Herkunft" und Erzählungen sind preisgekrönt. Zuletzt veröffentlichte der Hamburger zwei Kinderbücher, im April den Roman "Wolf".
Am 10. Dezember erhält der in Bosnien geborene 45-jährige Autor den mit 15.000 Euro dotierten Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund. "Seine Werke zeichnen insbesondere eine sprachliche Virtuosität, eine komplexe Handlungsführung, authentische Figuren und raffiniert und präzise gestaltete Romanwelten aus", hieß es in der Begründung.
Geboren in Višegrad - Flucht im Bosnienkrieg
Spätestens mit seinem Roman "Herkunft", für den er 2019 den Deutschen Buchpreis bekam, schwang Saša Stanišić sich auf in die oberste Schriftstellerriege des Landes. Virtuos ist sein Umgang mit der Sprache, poetisch und gewürzt mit einer Prise Humor, seine Geschichten verträumt und verschlungen. Dabei trafen sie erst 1992 zusammen, die deutsche Sprache und Saša Stanišić, als er 14-jährig aus Bosnien nach Deutschland kam.
Saša Stanišić wurde 1978 in der bosnischen Kleinstadt Višegrad geboren, wo er bis 1992 mit seinen Eltern lebte. Als die Stadt im Bosnienkrieg von bosnisch-serbischen Truppen besetzt wurde, floh die Familie nach Heidelberg. Schon auf dem Gymnasium erkannte und förderte ein Deutschlehrer das schriftstellerische Talent des Schülers, der folglich nach dem Abitur Deutsch als Fremdsprache und Slawistik an der Universität Heidelberg studierte.
Debütroman gleich in 30 Sprachen übersetzt
Nach und nach fanden Stanišićs literarische Texte ihren Weg in Magazine und Anthologien. Mit der Erzählung "Was wir im Keller spielen ..." trat er 2005 beim Ingeborg-Bachmann-Preis an. Ein Jahr später folgte der Debütroman des jungen Autors: "Wie der Soldat das Grammofon repariert" wurde auf anhieb ein Welterfolg. Die semiautobiografische Geschichte über den jungen Bosnier Aleksandar wurde in 30 Sprachen übersetzt und schaffte es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Preis der Leipziger Buchmesse für "Vor dem Fest"
Acht Jahre, einige Theaterstücke, Hörbuchfassungen und Erzählungen später legte Stanišić seinen zweiten Roman vor. "Vor dem Fest" erzählt die Geschichte des Dorfes Fürstenfelde in der Uckermarck - orientiert an einem realen Dorf und zum Teil an realen Personen, verwoben mit der Geschichte und alten, umgestalteten Sagen der Region. Inzwischen wird der nun in Hamburg lebende Schriftsteller in der Schule gelesen. 2019 nahm er anonym an den Abiturprüfungen der Hansestadt zu seinem Roman "Vor dem Fest" teil - und erreichte immerhin 13 von 15 Punkten.
"Fallensteller": Stanišićs große Liebe zu altertümlichen Begriffen
2016 veröffentlichte der deutsch-bosnische Autor den Erzählband "Fallensteller". In den acht Erzählungen lässt Stanišić der Fantasie und der Sprache freien Lauf. Stanišićs Freude an der Sprache zeigt sich vor allem in der Verwendung altertümlicher Begriffe, die er beim Studium der Archive und des Grimm'schen Wörterbuchs für sich entdeckt.
"Herkunft" mit Deutschem Buchpreis ausgezeichnet
Im gleichen Jahr erschien Stanišićs bislang am meisten beachtetes Werk: "Herkunft" wurde mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Der Roman, der stark autobiografisch geprägt ist, überzeugt durch seine Sprachwucht, durch Fantasie, Witz und das, was unausgesprochen und doch deutlich spürbar zwischen den Zeilen steckt. Poetisch und verspielt erzählt der Autor seine Familiengeschichte von Krieg und Flucht und der alles überlagernden Frage, was Herkunft eigentlich für das Leben bedeutet.
"Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns hierhin dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat." Leseprobe aus "Herkunft"
Zwei Jahre nach dem Bucherfolg wurde "Herkunft" auch als Theaterstück aufgeführt. Regisseur Sebastian Nübling inszenierte es als eine Art Erinnerungsparcours am Hamburger Thalia Theater.
Kontroverse mit Peter Handke
In seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Buchpreises kritisierte Stanišić vehement die Vergabe des Nobelliteraturpreises an den Österreicher Peter Handke, der wiederholt für seine pro-serbische Haltung in Bezug auf die Jugoslawienkriege auffiel. "Ich tu's auch deswegen, weil ich das Glück hatte, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt", begründete Stanišić seine Kritik in seiner Rede.
Stanišić und Sohn veröffentlichen Kinderbuch
Die Lust am Fabulieren kennzeichnet Saša Stanišićs erstes Kinderbuch. "Hey, hey, hey Taxi" entstand aus Geschichten, die der Autor während der Corona-Pandemie zusammen mit seinem Sohn Nikolai erfunden hat. Im September 2021 erhielten Vater und Sohn für ihr Buch, das im Hamburger mairisch Verlag erschienen ist, das Hamburger Tüddelband: "Es ist, mit einem Wort, ein großes Glück", hieß es von der Jury dazu. Das Buch sei voller "wilder und lustiger, überraschender und inspirierender Geschichten."
"Panda-Pand" und "Wolf": Fantastische Geschichten
Auch mit seinem jüngsten Büchern wendet sich Stanišić, der das Vorlesen liebt, an ein sehr junges Publikum: "Panda-Pand. Wie die Pandas mal Musik zum Frühstück hatten" erzählt eine fantastische Geschichte über Pandabären, von denen der Autor seit jeher fasziniert ist. Das Schreiben sei sein Kindheitstraum gewesen, hat Stanišić einmal gesagt. Ein Lehrer bescheinigte ihm als Sechstklässler ein besonderes Interesse, "merkwürdige Dinge und Phantasien" zu formulieren. Daraus sind im Laufe der Jahre Romane und Erzählungen entstanden, die von der Kritik gelobt und auf der ganzen Welt gelesen werden. Der im April 2023 erschienene Kinderroman "Wolf" handelt vom Jungen Kemi in einem Ferienlager. Das Buch thematisiert Mobbing und Ausgrenzung.