Nominierte für Leipziger Buchpreis stellen sich in Hamburg vor
Der Preis der Leipziger Buchmesse ist eine der wichtigsten Auszeichnungen der Literaturbranche. Im Literaturhaus Hamburg haben am Dienstagabend die fünf Nominierten ihren Roman vorgestellt, präsentiert von NDR Kultur.
Wann hat man es schon mal, dass eine Autorin nicht nur auf preisverdächtigem Niveau schreiben kann, sondern ihren Text auch spielt, performt und lebt? Angela Steidele heißt das Multitalent, und sie tauchte förmlich ein in ihren Roman "Aufklärung" - und alle Zuhörer mit ihr.
Angela Steidele: Mit "Aufklärung" auf der Shortlist
Steideles von der Kritik bereits gefeiertes Buch spielt im 18. Jahrhundert; es geht um die Freundschaft der berühmten Künstlerfamilien Bach und Gottsched. Weil die Handlung in Leipzig spielt, wagte Gastgeber Joachim Dicks, Literaturredakteur bei NDR Kultur, eine Prognose: "Leipzig als Handlungsort könnte sich bei der Auseinandersetzung der Jury als strategischer Vorteil herausstellen."
Das Buch ist auch ein Leipzig-Roman. "Letztes Jahr war auch ein Leipzig-Roman auf der Shortlist und der hat auch nicht gewonnen", gibt die Autorin daraufhin zu Bedenken. Und fährt augenzwinkernd fort: "Es liegt also auf der Hand, dass ich nicht gewinne. Aber ich freue mich sehr, diesen Abend mit den Kolleginnen und Ihnen hier zu verbringen, denn ich freue mich riesig über die Nominierung."
"Unser Deutschlandmärchen": Dinçer Güçyeter verewigt seine Mutter
Ganz anders ist der Roman von Dinçer Güçyeter, der von den damals so genannten Gastarbeitern erzählt. Im Mittelpunkt: Die Mutter des Erzählers, Fatma, die der Autor eins zu eins seiner Mutter nachempfunden haben muss. Jedenfalls ist sie stolz auf ihren Sohn, der vor diesem Roman Gedichte geschrieben hat und einen Lyrikverlag betreibt. "Sie ist sehr glücklich", erzählt der Autor auf dem Podium. "Heute Morgen hat sie zu mir gesagt: Grüße alle in Hamburg!"
Güçyeters Roman mit dem Titel "Unser Deutschlandmärchen" ist die berührende Geschichte starker Frauen, die sich in dem fremden Land durchbeißen müssen. Liebevoll-deftig erzählt der Autor von seiner Mutter, nachdem sie Witwe geworden war: "Vater wollte immer eine Knoblauchwurst-Firma gründen. Und Mutter hat einmal gesagt: Was für ein Pech ich im Leben habe - Mann wollte Knoblauch, Sohn macht Gedichte."
Nominierte der Belletristik-Shortlist: "Wundertüte" im Literaturhaus Hamburg
Eine "Wundertüte" hat Literaturhaus-Chef Rainer Moritz, der zweite Gastgeber des Abends, diese gut gelaunte und auch stimmungsvolle Buchvorstellung genannt. Denn auch Ulrike Draesner gehört zu den Nominierten. Sie steht mit dem Roman "Die Verwandelten" auf der Shortlist. Auch bei ihr sind es die Frauen, diesmal solche auf der Flucht vor den Soldaten der Roten Armee. Es ist ein ergreifendes Kriegsdrama, voller Parallelen zum heutigen Geschehen, das die Autorin nicht ahnen konnte, als sie anfing, zu schreiben.
"Die Verwandelten" von Ulrike Draesner: "Wenn jemand spricht, wird es hell"
"Das Thema dieses Buches ist kriegsbedingte Gewalt gegen Frauen", erzählt Draesner. "Ich dachte dabei als allererstes an die Gewalt, wenn eine fremde Armee, der sogenannte Feind, Territorium erobert und auf die Zivilbevölkerung stößt." Draesner schreibt und recherchiert seit vielen Jahren über Flucht, Exil und körperliche Gewalt. Das Finden von Sprache gegen das Schweigen in "Die Verwandelten" wieder ihr Thema. "Der letzte Satz des Romans lautet: 'Wenn jemand spricht, wird es hell.' Das sagt ein Kind. Ich glaube, das war der Satz, zu dem meine 20-jährige Arbeit irgendwann geführt hat."
Alle, die gestern lasen im Literaturhaus, haben mit ihrer Sprache dieses Licht angemacht: mit Romanen, denen man allen den Preis der Buchmesse gönnen möchte. Die Jury in Leipziger wird es schwer haben.
In der Sendung Sonntagsstudio auf NDR Kultur können Sie am 9. April ab 20 Uhr den ganzen Mitschnitt der Veranstaltung hören, bei der auch Clemens J. Setz ("Monde vor der Landung") und Joshua Groß ("Prana Extrem") aufgetreten sind.