"Kaleidozyklen": Escher-Kunstwerke selber basteln
Der niederländische Künstler M.C. Escher ist bekannt für seine optischen Täuschungen und künstlerischen Verwirrspiele. Jetzt ist ein Buch erschienen, das seine zweidimensionalen Werke vom flachen Blatt erhebt und zu Körpern werden lässt.
Ein schwerer Schuber. Darin liegen ein Buch und knapp 20 Bögen. Es sind Bauanleitungen für geometrische Körper, bedruckt mit bunten Motiven von M.C. Escher: rote Käfer zum Beispiel, deren Schwanz zum Kopf eines Artgenossen wird. Die typische Escher-Optik: Motive in Mustern, ein ewiger Kreislauf. Neu ist, dass wir jetzt Hand anlegen.
Escher-Kunstwerke dienen als Vorlage
Da ich der reißbaren Perforation nicht traue, benötige ich eine Schere, Klebstoff und ein bisschen Geduld. Denn der Mathe-Unterricht ist lange her. Entsprechend dunkel ist meine Erinnerung an die Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder, Dodekaeder, Würfel. Nur der letzte der fünf Platonischen Körper bleibt auch nach der Schulzeit bewusster Teil unseres Alltags. Solche Objekte aus Escher-Kunstwerken soll ich bauen? Nur mit einer Anleitung aus diesem Buch? Oha! Eine gemeinsame Idee von der amerikanischen Mathematikerin Doris Schattschneider und dem Künstler Wallace G. Walker. Ein kleiner Geometrie-Auffrischungskurs ist inklusive:
"Jeder Platonische Körper hat als Außenfläche identische Kopien eines regelmäßigen Vielecks - alle Kanten und Winkel jeder Fläche sind gleich." Leseprobe
Klingt kompliziert. Zum Glück ist Mathe-Wissen aber nicht so wichtig für diese Bastelei. Ein simples Oktaeder, quasi eine gespiegelte Pyramide, habe ich schnell gebastelt - das war einfach. Es zeigt ineinander verschlungen: eine gelbe Fledermaus, einen blauen Fisch, eine rote Echse. Sie stehen für Luft, Wasser, Erde. 1963 von Escher entworfen. Dreht man den Körper zwischen den Fingern, bekommt das Bild etwas Ausschnitthaftes, gleichzeitig Unendliches. Fast hypnotisierend ist das.
Wie viel Spaß verträgt die Kunst?
"Ich sehe nicht ein, warum wir die Außenwelt nur so akzeptieren sollen, wie unsere Sinne sie uns zeigen", schreibt M.C. Escher 1953 in seinem Aufsatz "On Being a Graphic Artist". Mit seinen Grafiken und Zeichnungen unmöglicher Figuren fordert er unsere Wahrnehmung heraus. Die Objekte, die hier entstehen, spinnen seine Fragen spielerisch weiter: Was ist Wirklichkeit? Welche Rolle spielt die Perspektive? Und nicht zuletzt: Wie viel Spaß verträgt die Kunst? Die Antwort: Sehr viel.
Verständnisschwierigkeiten habe ich trotzdem - beim Bau des kniffligeren sechseckigen Kaleidozyklus. "Nehmen Sie die Vorlage in die Hand und bringen Sie die unteren Dreiecke…" - ich weiß gar nicht, wo oben und unten ist. Achso! Ja, jetzt wird auch eine geschlossene Form draus. Vorher war es nur so ein Gefriemel. Schaut mir da etwa Escher über die Schulter? "Ich kann nicht anders, als unsere unerschütterlichen Gewissheiten zu verspotten. Sind Sie sicher, dass ein Fußboden nicht auch eine Zimmerdecke sein kann?"
Rätselhafte 3D-Figuren
Nach einiger Tüftelei gelingt es mir, den farbenfrohen Strang zu einem Ring zu biegen und zu verkleben. Das Ganze soll eine Weile trocknen.
Jetzt kommt der spannende Moment. Der sechseckige Kaleidozyklus scheint festgeklebt. Der Fisch wird zum Vogel, beziehungsweise umgekehrt. Jetzt sehe ich weiße und rote Fische und sobald ich es drehe, kommen braune Vögel zum Vorschein. Aus denselben geometrischen Mustern entstehen einmal Vögel, einmal Fische. Diese Ansichten geben noch mal eine Schippe Rätselhaftigkeit hinzu. Ich verstehe eigentlich nicht, wie es funktioniert. Aber man muss es ja auch nicht verstehen.
Unterhaltsamer Bastelspaß
Ziemlich gut harmonieren die gebastelten Gebilde mit Eschers Motiven. Sie zeigen Verwandlungen - und sie verwandeln sich. Herrlich unterhaltsam ist der Weg zum fertigen dreidimensionalen Kunstwerk. Dafür braucht es kein Mathe-Genie - allerdings einen besseren Bastelkleber, denn mein Ring ist nach einigen Drehbewegungen inzwischen wieder aufgegangen.
Und selbst wenn alle Bastelei am Ende doch misslingt, bleibt mir immerhin der Bildband. Mit beeindruckenden, (fast) unmöglichen Figuren.
M.C. Escher - Kaleidozyklen
- Seitenzahl:
- 64 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- 17 Bastelbögen und Buch 21 x 27 cm, 64 Seiten in einer Box
- Verlag:
- Taschen
- Bestellnummer:
- 978-3836583688
- Preis:
- 50 €