Ein Leitfaden zur Herstellung natürlicher Tinte
Menschen haben das Bedürfnis, Spuren zu hinterlassen, zu dokumentieren, dass sie gelebt haben, an einem Ort waren. Die ersten Zeugnisse dieses Dranges sind rund 40.000 Jahre alt. Es handelt sich um Handabdrücke auf Felsgestein. Das Mittel, die eigene Hand sichtbar zu machen war: Farbe. Zerriebene Pigmente, mit Wasser oder Tierfett angemischt.
Der Spur natürlicher Farben folgt das Buch "Make Ink" von Jason Logan. Der Kanadier ist Illustrator, Autor, Aktivist und Gründer und Leiter der Toronto Ink Company. Er stellt Tinte aus allem her, was er findet. In seinem Buch macht er das gesammelte Wissen nun frei verfügbar.
Die Natur ist voller Farben. Hat man einmal den Blick geweitet, sieht man sie überall, fragt sich bei jedem Blatt, jeder Frucht, welche Tintenfarbe man wohl daraus gewinnen könnte. Auf subtile Weise verändert das Buch von Jason Logan die eigene Wahrnehmung.
Das Buch liefert Anleitungen zum Selbermachen
"Natürliche Tinte ist eine ganze Landschaft, verdichtet in einer kleinen Flasche. Wenn die Methode dir langsam vorkommt und es nur tröpfchenweise vorangeht, machst du alles richtig." Leseprobe
Die Methode erscheint ganz simpel, wie Jason Logan erklärt: "Hier haben wir die ganze Schwarznuss in ihrer Hülle. Daneben ungefähr drei Monate alte Nüsse - und man sieht, das schöne, sehr dunkle Pigment in den Schalen."
Man nehme zum Beispiel die grünen Schalen von Walnüssen - der Autor verwendet die kanadische Schwarznuss - lasse sie liegen, bis sie sich schwarz verfärbt haben, gieße sie mit Wasser auf und lasse sie so lange auf kleiner Flamme köcheln, bis ein sattbrauner Saft entstanden ist.
"Was hier köchelt, sind die Fruchthüllen der Schwarznuss. Und wenn man das dann ungefähr - na ja - einen halben Tag runtergeköchelt hat, dann kommt diese schöne schwarze Tinte heraus. Die muss noch einige Male gefiltert werden und dann kann man sie abfüllen." Leseprobe
Den entstanden Farbsud muss man filtern und zum Beispiel mit Gummi Arabicum oder Schellack verdichten. Fertig ist die Tinte.
Tinte herstellen ist fast wie kochen
Es ist fast, als läse man ein Kochbuch. Nicht von ungefähr vergleicht Jason Logan das Tinte-Einkochen und Verdichten mit der Zubereitung einer besonders feinen Sauce, die man lange reduziert, bevor sie fertig ist. Doch einem gelungenen Versuch gehen oft viele Fehlversuche voraus.
"Ich beginne gern mit einer einzelnen Zutat und lese so viel darüber, wie ich kann. Die besten Informationen stammen oft aus Rezepten für natürliche Woll- und Stofffarben. Diese bewährten Rezepte aus verschiedensten Kulturen rund um den Globus sind oft genauer als die zur Herstellung von Tinte." Leseprobe
Rezepte und Anregungen zur Kreativität
Es geht in diesem unglaublich schön gestalteten Buch nicht nur um die Herstellung der natürlichen Tinte - es wird einem in meditativ anmutenden Abbildungen auch verdeutlicht, was man mit dieser Tinte alles machen kann.
In einem fast vollendeten Kreis fließt helles Blau. An den Rändern verdichtete es sich und bildet zarte Schlieren. Links umschließt das Blau ein lichtes Rotbraun. An den sich überlagernden Stellen werden beide Farben intensiver. Sie sind ineinandergeflossen, haben sich den Raum gegenseitig streitig gemacht. An einigen Punkten schwimmen verdichtete rotbraune Fasern, Inseln gleich, in einem braungrünen See.
Die Farben für dieses Bild hat Jason Logan aus Kupfer und Rost gewonnen. Schauen und warten. Das friedliche Ineinanderfließen von Farbe und Wasser.
Viele Künstler und Schriftsteller schätzen Logans Farben
In einem langen, sehr persönlichen Interview mit dem Schriftsteller Michael Ondaatje erfährt man am Ende des Buches mehr über Jason Logan und seine Liebe zur Farbe.
Es ist nicht allein die wunderbare Anleitung zur Herstellung von Tinte, die diesen Band so besonders macht. Es ist die große Sorgfalt, die herausragende Gestaltung, es sind die vielen kleinen Bilder von Künstlern aus der ganzen Welt, die Jason Logans Tinte benutzen - darunter Schriftsteller wie Margaret Atwood. Es ist vielleicht auch die unglaubliche Ruhe, die Schönheit der Natur und ihrer Farben, Seite für Seite, die einen nicht mehr loslassen. Dieses Buch macht glücklich.
Make Ink
- Seitenzahl:
- 191 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- gebunden, durchgehend vierfarbig, mit 120 Fotos von Lauren Kolyn und Illustrationen u.a. von Leanne Shapton, Dave Eggers und Margaret Atwood, mit einem Vorwort von und einer Unterhaltung mit Michael Ondaatje, 19 x 23,5 cm
- Verlag:
- Haffmans & Tolkemitt
- Bestellnummer:
- 978-3-942048-64-4
- Preis:
- 30,00 €