Lars Eidinger zu Kürzungen in der Kultur: "Existenzbedrohlich"
Das Aktionsbündnis "Berlin ist Kultur" hat am Mittwoch gegen die Budgetkürzungspläne des Senats demonstriert. Mit dabei ist auch Schauspieler Lars Eidinger. Die Einsparungen bezeichnet er als "existenzbedrohlich". NDR Kultur hat vor der Demo mit ihm gesprochen.
Der schwarz-rote Berliner Senat will sparen - und das auch in der Kultur. Geplant sind ab 2025 Budgetkürzungen in Höhe von zehn Prozent. Diese Pläne wecken viel Kritik.
Herr Eidinger, Sie sind mit einem künstlerischen Beitrag bei der Demo dabei. Was wird das sein?
Lars Eidinger: Ich werde ein Auszug aus "Hamlet" vortragen. Ich werde anfangen mit einem Gedicht von Bertolt Brecht, das relativ unbekannt ist: "Der Theaterkommunist". Und am Ende dann noch einen Auszug aus der "Hamletmaschine". Dazu werde ich mein Hamlet-Kostüm anziehen und darunter ein hellgrünes Morphsuit, sodass man mein Gesicht nicht sehen kann, sodass man sich vorstellen kann, was es bedeutet, wenn es die Künstler nicht mehr gibt.
Zehn Prozent Kürzungen sind vorgesehen. Was würde das für das kulturelle Leben bedeuten? Speziell in Berlin?
Eidinger: Für die Schaubühne würde es bedeuten, dass wir Insolvenz anmelden müssten. Das klingt dramatisch, ist aber tatsächlich so, weil 90 Prozent feste Ausgaben sind und mit zehn Prozent werden die Neuproduktionen bezahlt. Entweder könnte man nicht Neues mehr produzieren, oder man müsste anfangen, im großen Rahmen Mitarbeitende zu entlassen. Es ist wirklich bedrohlich: Zehn Prozent sind wahnsinnig viel - die sollen wir im schlechtesten Fall bereits ab Beginn 2025 einsparen. Der Kulturhaushalt nimmt 2,5 Prozent vom Gesamthaushalt ein - wenn man davon zehn Prozent spart, sind es 0,25 Prozent, die man spart. Für uns ist es existenzbedrohlich. Ich weiß nicht, ob das gesamtpolitisch so eine wahnsinnige Hilfe ist.
Der Kulturstandort Berlin ist auch für den Rest des Landes wichtig. Was wäre das für ein Signal?
Eidinger: Letzte Woche waren wir mit "Hamlet" in Shanghai, wir fahren nächste Woche nach Istanbul, und im Dezember fahren wir nach Neapel. Es ist interessant zu sehen, welchen Effekt unser Theater selbst bis nach China hat; da stehen die Leute Schlange. Wir hatten drei Vorstellungen mit über 1.000 Menschen, die alle ausverkauft waren. Ich glaube, uns ist nicht so richtig bewusst, welches Gut wir - gerade im Theater - haben. Nichts gegen den deutschen Film, aber da sind wir nicht wirklich konkurrenzfähig. Was das deutsche Theater angeht, ist es so, dass uns alle darum beneiden. Jetzt anzufangen, die Theater zuzumachen, halte ich für fatal. Dass die Welt untergeht, scheint nicht aufzuhalten zu sein, aber wenn dann doch wenigstens mit einem gewissen Maß an Niveau und Kultur.
Im Moment ist es mehr Polittheater, was wir erleben. Wie verfolgen Sie das und auch den Blick auf Neuwahlen, die es bald geben wird?
Eidinger: Nicht so einfach. Olaf Scholz war in den letzten Wochen zweimal in der Schaubühne, und ich habe mich einmal mit ihm unterhalten. Ich wollte mit ihm über "Richard III." reden - darin geht es und die Macht der Sprache. Ich fand diese Gegenüberstellung von Trump und Biden damals interessant: "War of words". Ich wollte mit ihm über die Macht der Rhetorik reden und war ein bisschen enttäuscht, weil ein Gespräch nicht wirklich zustande kam. Als ich fragte, wie theatral die politischen Reden sind und wie politisch die theatralen Reden, hat er gesagt: "Ja und nein". Das fand ich so ein bisschen schwammig. Man fragt sich, welchen Anteil die führenden Politiker daran hatten, dass es jetzt so katastrophale Wahlergebnisse gibt. Das frustriert mich schon, und ich denke, dass man da etwas dagegen hätte setzen müssen.
Man spricht immer von der Macht des Theaters. Wie optimistisch sind Sie, dass die Demonstrationen etwas bewirken können?
Eidinger: Als ich 1997 mit Theater anfing, sollte die Schauspielschule, auf der ich war, der UdK Berlin (Anm. d. Red: Universität der Künste) angeschlossen werden. Es sollte aus zwei Schulen eine gemacht werden. Wir haben eine Woche lang demonstriert, und wir konnten es tatsächlich verhindern. Heute gibt es zwei Schauspielschulen. Das hat mir schon ein bisschen Hoffnung gemacht, dass man darauf Einfluss nehmen kann. Aber den Glauben, dass Theater die Welt verändern kann, den habe ich tatsächlich aufgegeben. Aber wenn ich auch von mir ausgehe: Ich bin wahnsinnig beeinflusst von Theater. Ich bin durch das GRIPS Theater sozialisiert, was auch von der Schließung bedroht ist. Ich bin da mit Werten konfrontiert worden, die ich von zu Hause nicht mitbekommen habe und war dafür wahnsinnig dankbar. Ich glaube, dass Theater, genau wie jede Bildungsstätte, den Auftrag hat zu bilden. Da geht es um eine Form von Intelligenz, die da gefördert wird. Wenn wir die aufgeben, dann sind wir wirklich verloren.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.