Ein mittelalter Mann mit Brille schaut in die Kamera. © Heike Steinweg Foto: Heike Steinweg

"Eine persönliche Ehre": Thomas-Mann-Preis an Ralf Rothmann verliehen

Stand: 21.09.2023 16:01 Uhr

Ralf Rothmann hat den Thomas-Mann-Preis 2023 am Dienstagabend in München verliehen bekommen. Hier erzählt 70-Jährige dass seine Aufsätze in der Schule oft durchfielen, warum es ihn in den Norden zieht und wofür er dankbar ist.

von Linda Ebener

Es ist eine passende Auszeichnung für Ralf Rothmann, denn seine Anfänge beim Schreiben führen ihn zurück zu Thomas Mann. Deshalb ist gerade dieser Preis für den 70-Jährigen eine persönliche Ehre. Das Schreiben hat er nirgendwo gelernt, sondern er hat es sich als Jugendlicher selbst beigebracht und das mit Texten von Thomas Mann. Wort für Wort hat er sie damals analysiert. "Die Faszination beruht auf seinem handwerklichen Geschick, auf seinem handwerklichen Genie, wie er mit Sprache umgegangen ist", sagt Rothmann. "Das war für mich als junger Mann ganz entscheidend. Es gab ja noch keine Schreibschulen wie heute. Das habe ich dann gelernt mit den Texten von Thomas Mann. Es gibt keine bessere Schule."

Traumata der Eltern in Romane eingeflossen

Die ersten fünf Jahre seiner Kindheit verbrachte Ralf Rothmann in Schleswig-Holstein, geboren wurde er 1953 in Schleswig. Sein Vater war Landarbeiter auf Gut Fahrenstedt bei Böklund, später nahm er eine Stelle im Ruhrgebiet im Bergbau an. Dieser Wechsel nach Nordrhein-Westfalen ist nicht ganz spurlos an Ralf Rothmann vorbeigegangen - und spiegelt sich in seinen Werken wider. "Die letzten drei Romane habe ich über die Generation meiner Eltern geschrieben - die Kriegsgeneration", erzählt der Schriftsteller. "Mein Vater war als 17-Jähriger noch in der Waffen SS, ist zwangsverpflichtet worden. Meine Mutter ist auf der Flucht aus Danzig von den russischen Soldaten vergewaltigt worden. Das waren Traumata meiner Eltern und die habe ich versucht in drei Romanen auszugestalten. Da kommt natürlich Schleswig-Holstein zwangsläufig vor."

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Bei Schulaufsätzen: Thema verfehlt

In der Schule ist Deutsch sein Lieblingsfach. Aber Ralf Rothmanns Aufsätze waren meistens zu lang - seine Fantasie ist mit ihm durchgegangen. Unter den Aufsätzen stand dann immer: Thema verfehlt. Aber davon ließ er sich nicht entmutigen. Mit 18 Jahren ging der heute 70-Jährige nach Westberlin, arbeitete auf dem Bau, in Küchen und Kneipen, um schreiben zu können. "Das ist die perfekte Arbeit für einen Menschen, der im Grunde völlig lebensuntauglich ist und in gewisser Weise asozial, der im Grunde genommen nur sich selbst sieht und in meinem Fall, meine Frau, aber sonst ein sehr kontaktscheuer Mensch ist", beschreibt Rothmann sich selbst. "Es ist eine Arbeit, die man auch ganz allein verantworten muss, da hilft einem keiner und da rettet einen auch keiner, wenn man da Mist baut. Insofern ist das schon weniger eine Arbeit, sondern eher eine Lebenshaltung und eine Lebensform."

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Irrationales, diffuses Heimatgefühl

Zehn Romane und acht Erzählungsbände hat Ralf Rothmann veröffentlicht, dazu Gedichte und Notizen. Immer wieder taucht dabei auch Schleswig-Holstein auf - aus einem "irrationalen, diffusen Heimatgefühl" heraus, sagt er. "Ich dachte immer, so ein Heimatgefühl kenne ich gar nicht, aber es ist immer so. Wenn ich eine imaginäre Linie vom Ruhrgebiet Richtung Hannover ziehe und wenn ich diese Linie aus südlicher Richtung kommend überschreite, dann spüre ich so ein leises Ziehen in der Herzgegend und ich merke einfach, dass ich in den Norden gehöre." Ralf Rothmann schreibt nicht nur in seiner neuen Heimat Berlin, sondern es zieht ihn immer wieder zurück an die Ostsee. In Travemünde sind seine neuesten Bücher entstanden, auch ein neuer Erzählband. Den Titel will er allerdings noch nicht verraten.

"Das gelungene Werk ist der Preis"

Jetzt freut sich der 70-Jährige erstmal über den Thomas-Mann Preis, der mit 25.000 Euro dotiert ist. "Es ist eine sehr tolle Auszeichnung", betont Rothmann, er freue sich besonders, weil er jetzt den Preis des Schriftstellers bekommt mit dessen Texten er vor mehr als 50 Jahren das Schreiben gelernt hat. Und er ist dankbar: "Das gelungene Werk ist der Preis. Dass man das schreiben durfte - jetzt kommt ein altmodisches Wort - ist allein schon eine Gnade und dafür bin ich endlos dankbar."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 20.09.2023 | 20:20 Uhr

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