"Der Norden liest" mit Robert Seethaler in Hannover
Schriftsteller Robert Seethaler war am Montag in Hannover und hat aus seinem neusten Buch "Das Café ohne Namen" - im Rahmen der Reihe der Norden liest, gelesen.
Sein 2012 erschienener Roman "Der Trafikant" ist Schullektüre, sein Roman "Ein ganzes Leben" kommt Ende des Jahres ins Kino - die Rede ist vom österreichischen Schriftsteller Robert Seethaler.
Simon lief an dem grauen Wohnblock der Straßenbahnpensionäre vorbei, an der Blechwerkstatt Schneeweiß und Söhne und an einer Reihe kleiner Läden, die allesamt noch geschlossen waren. Er legte die Stirn an die Scheibe und spähte mit zusammengekniffenen Augen ins Innere.
Robert Seethaler liest im gut gefüllten Lichthof des Hauptgebäudes der Leibniz-Universität aus der Eingangspassage seines Romans. Das Publikum hört ihm, dem ausgebildeten Schauspieler, gerne zu. Wer die Augen schließt, der kann die Stadt Wien vor seinem geistigen Auge sehen. Er selbst schließe auch gern die Augen beim Reden, erzählt der gebürtige Österreicher, der mit einem Augenfehler geboren wurde. Im Buch sieht Seethaler durch den fiktiven Menschen Robert Simon. "Er ist mein Medium, ich sehe über seine Augen die Welt oder ich habe versucht, über seine Augen die Welt neu zu entdecken, diese Welt des damaligen Wiens. Also ich schreibe nicht, weil ich weiß, sondern ich schreibe, um zu sehen." Eine große Hauptrolle spiele tatsächlich auch die Stadt, in der sich Menschen verlieren, verbinden und wieder verlieren würden. Manchmal würden sie unter Umständen so einen gemeinsamen Ort zum Leuchten bringen, sagt der Schriftsteller.
Robert Seethaler liest mehr als er redet
Robert Seethaler stellt dem Publikum diese Menschen vor, er liest an diesem Abend mehr als er redet und NDR-Kultur-Moderator Joachim Dicks muss seine Fragen ein ums andere Mal zurückstellen. Robert Simon wird zum Leben erweckt, der Mann, der "Das Café ohne Namen" betreiben wird. Auch die arbeitslos gewordene Näherin Mila, die seine Kellnerin wird, taucht auf. Zu seinen Lieblingsmenschen gehörten allerdings auch zwei alte Damen, die sich über Gott, Leben und den Tod unterhalten."
Man sollte sich schämen. Wofür denn? Für die eigenen Gedanken.. ..mir wird das jetzt etwas zu düster an so einem herrlichen Tag.
Vorlesen ist ein intimer Moment für Seethaler
Es sind professionell gelesene Passagen aus "Das Café ohne Namen", aber es sind zu viele. Am Ende ist kaum noch Raum für ein Gespräch. Es wirkt, als wolle sich hier jemand hinter seinen Texten verstecken. Dabei lässt einen Robert Seethaler zu Beginn des Abends durchaus auch in seine Seele blicken. "Das ist schon ein intimer Moment für mich, auch das Schreiben und auch das Vorlesen. Im Endeffekt ist es auch mit Scham verbunden, weil das Wort nicht mehr abstrakt aus den Seiten heraus leuchtet, sondern in meinem Gesicht aufscheint. Dann wird man auch wiederum betrachtet oder angesehen ohne zurück schauen zu können. Das ist ein sehr intimer Moment, der unangenehm und auch beschämend sein kann."
Nachzuhören ist das ganze Gespräch im Sonntagsstudio am 11. Juni 2023 ab 20.00 Uhr.