Brigitte Reimann: Eine der wichtigsten Autorinnen der DDR
Sie war eine der herausragenden Schriftstellerinnen der DDR: Brigitte Reimann. Viele kennen ihren Roman "Franziska Linkerhand". Sie lebte in Hoyerswerda, ihre letzten Lebensjahre verbrachte Brigitte Reimann in Neubrandenburg. Sie starb am 20. Februar 1973 mit nur 39 Jahren an Krebs.
Im Februar des Jahres 1973 war Brigitte Reimann schon im Krankenhaus. Noch immer schrieb sie, und das schon seit zehn Jahren, an dem Roman, von dem sie sagte, es sei ihr einziger wirklicher Roman: "Franziska Linkerhand". Erika Becker vom Literaturhaus Neubrandenburg blättert in einem Schreibheft aus dieser Zeit. "Die letzten Kapitel hat Brigitte Reimann in Berlin geschrieben, während ihrer Krebsbehandlung. Es ging ihr sehr schlecht, man sieht das auch ihrer Schrift an, die sehr eckig ist, nicht die flüssige Schrift, die sie sonst in ihren Manuskripten hat. Man sieht, dass sie sich den Text wirklich abgerungen hat", sagt Becker.
In ihren Tagebüchern schreibt Reimann von entsetzlichen Schmerzen, dass die Chemotherapie und die Bestrahlung, sie körperlich sehr angegriffen haben. "Es ist schon ein bewegendes Gefühl, die letzten Seiten von Brigitte Reimann in der Hand zu haben, es ist wie so eine Art Vermächtnis von ihr, das man hier in der Hand hält", so Becker weiter.
"Franziska Linkerhand" - Brigitte Reimanns "einziger Roman"
"Franziska hatte den Zweikampf verloren, noch ehe sie ihn antrat" - es ist Brigitte Reimanns letzter Satz. Der Roman erscheint ein Jahr nach ihrem Tod beim Aufbau Verlag. Die Zensur sorgte dafür, dass der Roman optimistisch mit einer Liebesgeschichte endet. Erst 1998 erscheint "Franziska Linkerhand" in der originalen Fassung mit dem Schluss von Brigitte Reimann. Ihre Heldin ist Architektin und zunächst begeistert vom Aufbau des Sozialismus, wie auch ihre Autorin Brigitte Reimann es war. Sie zieht 1960 nach Hoyerswerda. In ihrem Tagebuch schreibt sie.
Hoyerswerda ist überwältigend. Das Kombinat von einer Großartigkeit, dass ich den ganzen Tag wie besoffen herumlief. Ich war bezaubert von den bunten Wohnblöcken, von dem gewaltigen Bauvorhaben begeistert, eine schöne, moderne Stadt wächst hier, und man kann ihr beim Wachsen zusehen, eine optimistische Landschaft. aus dem Tagebuch von Brigitte Reimann
1968 wird Brigitte Reimann zur kritischen Autorin
Brigitte Reimann hat Erfolg. So jung, wie sie noch ist, gehört sie bald zu den wichtigsten Schriftstellerinnen der DDR. Sie bekommt Preise und wird verlegt. Die Niederschlagung der Reformen in der CSSR durch russische Panzer 1968 aber machen aus Brigitte Reimann eine kritische Autorin. Ihre Heldin Franziska Linkerhand verzweifelt so nicht zufällig an Bürokratie und Dogmatismus.
Unterwegs in der kalten Stadt, habe ich mich nach meiner Wohnhöhle gesehnt. Jetzt treibt es mich schon wieder fort, kaum ist die Tür hinter mir zugeschlagen, die Falle zugeschnappt. Ich koche mir Kaffee, die Küche duftet nach Kaffee, Familienglück, dem ganzen Schwindel. Ich liebe Städte, irgendwo auf der Welt muss es Städte geben und den Widerschein ihrer Lichter am Himmel und Trottoirs und Menschengedränge, in das Du Dich wie ein Schwimmer wirfst. Zitat Brigitte Reimann
1969: Umzug nach Neubrandenburg
1969 zieht sie nach Neubrandenburg. Dort wohnt sie in einer Wohnung mit Garten, dem heutigen Literaturhaus, in dem Teile ihrer Einrichtung bewahrt werden. Gitta Lindemann, die viele Jahre im NDR Funkhaus in Schwerin das Kultur-Ressort leitete, hat sie dort kennengelernt, als sie schon sehr krank war. "Ich sehe sie immer noch vor mir. Als junges Mädchen", erinnert sich Lindemann. "Sie war sechs Jahre älter als ich, aber ich hatte immer das Gefühl, dass sie sehr viel älter ist, nicht vom Äußeren her, aber in ihrem Kopf. Sie war mir so überlegen, sie wusste so viel, sie betrachtete das Leben von einer Warte aus, die ich noch nicht erklommen hatte."
Biografie soll im Sommer erscheinen
Das Brigitte-Reimann-Archiv im Literaturhaus Neubrandenburg verwahrt auch die Original-Manuskripte. Die Forschung war Grundlage für viele Neuauflagen ihrer bekannten Bücher, darunter auch "Franziska Linkerhand", aber auch Neuerscheinungen - etwa ein Roman und viele Briefwechsel. Der Aufbau Verlag hat auch eine Biografie in Auftrag gegeben, die im Sommer herauskommt, sagt Lektorin Nele Holdack. "Sie ist eine Autorin, die in vielem ihrer Zeit voraus war und uns heute noch unglaublich viel zu sagen hat, die unglaublich modern wirkt in ihrem Lebensweg, in ihrem Schreiben, in ihrem Erzählen, und die deshalb gerade nochmal neu entdeckt wird, weil wir uns heute in ganz vielem einfach wiedererkennen, was sie geschrieben hat, was sie empfunden hat, was sie als Ziele hatte für sich und ihr Leben", so Holdack. "Gerade auch aus heutiger Perspektive gesehen: Wir leben ja wieder in sehr unsicheren Zeiten. In einer Zeit, in der man sich fragen muss, für welche Ideale man einsteht, was man bereit ist, dafür zu tun, vielleicht auch aufzugeben."
Bis heute Inspiration, den eigenen Weg zu gehen
Brigitte Reimann starb jung. An die Grenzen der DDR geriet sie nicht nur politisch, sondern auch privat. Ihre Lebensgier hätte in das Paris der 40er-Jahre gepasst oder das Amerika der 60er. Oder einfach hierher, nur 50 Jahre später. Bis heute ist sie Inspiration, den eigenen Weg zu gehen.