Autorin Susanne Tägder mit neuem Buch in Rostock und Leipzig
Susanne Tägder lebt in Silicon Valley und in der Schweiz. Vergangene Woche hat sie in Rostock gelesen. Nun stellt sie ihr Krimidebüt "Das Schweigen des Wassers" auch auf der Leipziger Buchmesse vor. Wer ist die Autorin?
Mit dem ICE kommt die Autorin aus der Hauptstadt in die mecklenburgische Metropole Rostock. Eine Lesung aus ihrem gerade erschienenen Kriminalroman "Das Schweigen des Wassers" steht in der Thalia Universitätsbuchhandlung auf dem Programm. Stühle müssen noch heran geholt werden - reichlich Besucherandrang an diesem Freitagabend. Locker und unkapriziös wirkt Susanne Tägder von Anfang an. Sie fühlt sich sichtbar wohl in einer ihrer Heimat.
Treffsichere Kurzgeschichten und Essays
Die preisgekrönte Schriftstellerin hat literarisch schon durch Kurzgeschichten auf sich aufmerksam gemacht. Vor zwei Jahren wurde sie mit dem Walter-Serner-Preis für ihre Kurzgeschichte "Otis und Rose" ausgezeichnet. In der Geschichte bleiben Otis und Rose im Aufzug stecken - zwei Menschen, die in knappen Dialogen kommunizieren. Ebenfalls 2022 gewann Susanne Tägder den 15. Harder Literaturpreis. Auch in diesem prämierten Text war es der Kommunikationsstil der Protagonisten, der die Jury überzeugte. Essays und Kurzprosa: Das war bislang ihr literarisches Spielfeld. Immer knapp und fokussiert, schnörkellos und treffsicher auf den Punkt gebracht - das ist Susanne Tägder.
Susanne Tägders Eltern stammen aus Neubrandenburg. Beide kehrten der DDR früh den Rücken - der Vater schon 1959, die Mutter am 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus. Ihre Mutter wollte an diesem Tag über Westberlin mit der S-Bahn zurück in die Hauptstadt der DDR. "Ein wohlwollender Grenzsoldat gab ihr den Rat, sie solle doch erst einmal am Bahnhof Zoo, der letzten Station im Westteil der Stadt, aussteigen", erinnert sich Susanne Tägder an die kurze Fluchtgeschichte ihrer Mutter. Das wiedervereinte Paar wurde wie damals für DDR-Flüchtlinge üblich einem Bundesland zugewiesen. Die neue Heimat war Baden-Württemberg.
Pendeln zwischen der Schweiz und Kalifornien
Ihre Tochter Susanne wurde in Heidelberg 1968 geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der alt-ehrwürdigen Universität Heidelbergs Jura. Mit dem Examen in der Tasche zog es die junge Juristin in die USA. In Illinois machte sie ihren Master und kehrte für das Referendariat nach Deutschland zurück. Ihre Karriere als Rechtsanwältin in einer Frankfurter Kanzlei währte nur kurz. "Gerechtigkeit ist mir sehr wichtig und dafür ist die Position als Richterin am besten", begründet Susanne Tägder ihren Entschluss, den Vorsitz an einem Karlsruher Sozialgericht zu übernehmen. Den ortsgebundenen Beruf der Richterin gab sie auf, als sie mit ihrer Familie in die USA zog.
Die meiste Zeit des Jahres lebt die Schriftstellerin mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Kalifornien. Ihr Mann ist Schweizer und arbeitet für die Computerfirma mit dem Apfel-Logo in Palo Alto. Der Sohn ist mit seinen 19 Jahren schon auf der Uni, die 16-jährige Tochter besucht noch die Highschool. Die zweite Heimat für die Familie ist die 5.000 Einwohner zählende Gemeinde Rüschlikon, nicht weit vom Zürcher See.
Schreiben begann an der Universität
Angefangen zu schreiben, hat die Studentin Tägder für die Heidelberger Uni-Zeitung. "Recht intensiv war die Zeit, als ich für den Uni-Spiegel schrieb", erinnert sie sich an ihre journalistischen Anfänge. Literaturgrößen wie Martin Walser und Hilde Domin hat sie damals kennengelernt. Vor gut zehn Jahren fasste sie den Entschluss, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen. Beteiligt hat sich Susanne Tägder an Schreibwettbewerben und präsentierte bei Leseveranstaltungen ihre Kurzgeschichten, bevor sie den ersten Krimi schrieb.
Die Geschichte ihrer Eltern weckte das Interesse der Schriftstellerin, das Leben in der DDR literarisch anzugehen. "Ich habe irgendwann mit diesem größeren Thema 'Stasi-DDR' gekämpft. Ich hatte nicht so richtig einen Aufhänger und habe dann durch Zufall eine Reportage entdeckt", beschreibt Susanne Tägder, wie sie zu dem Stoff für ihren Krimi kam. In der Süddeutschen Zeitung fand sie den Bericht über einen tatsächlichen Mord, vor 45 Jahren in Mecklenburg begangen. "Das hat mich emotional gepackt, weil da ein Mensch beschrieben wird, der fälschlich beschuldigt wird, einen Mord begangen zu haben - und zwar nur aus dem Grund, dass eigentlich ein Polizist diesen Mord begangen hat". Die widerfahrene Ungerechtigkeit bewegt Susanne Tägder noch heute.
Was geschah wirklich?
Grevesmühlen 1979: Eine junge Frau wird nach einem Tanzabend ermordet. Volkspolizei und Stasi konstruieren den Tatverdacht gegen einen Unbeteiligten, um von der Spur abzulenken, die in die eigenen Reihen der DDR-Sicherheitsorgane führt. Der fälschlich Beschuldigte stand zum Zeitpunkt des Mordes auf einer Musikbühne und stand vor einem großen Publikum. Er wurde unter DDR-Recht verurteilt und erst in zweiter Instanz freigesprochen.
Die fiktive Story
Herbst 1991: Am Seeufer liegt der 32 Jahre alte Bootsverleiher Siegen Eck tot im Wasser. War es ein Mord oder ein Unfall? Zwei Kommissare ermitteln. Der eine, Arno Groth, wurde kurz zuvor, nicht ganz freiwillig, als "Aufbau Ost-Helfer" aus Hamburg in seine ehemalige Heimat versetzt. Gerstacker, der andere Kriminalist, ist Rostocker und gelernter Volkspolizist. Auch er wurde in die mecklenburgische Provinz ins fiktive Wechtershagen versetzt. Susanne Tägder schafft ein überzeugendes ost-westdeutsches Kriminalistenduo. Die subtil einfließenden Vorurteile über den jeweils anderen lassen sich leicht auf die Menschen in Ost- und Westdeutschland übertragen.
Susanne Tägder auf der Leipziger Buchmesse
Nach Rostock folgte ein Lesetermin zusammen mit dem Schriftsteller Andreas Pflüger in Stuttgart. Während der Buchmesse sitzt die Krimi-Debütantin auf dem "Blauen Sofa" des Leipziger KrimiClubs. Unter dem Motto "Kunst und Justiz im Landgericht" stellt Susanne Tägder dort Krimi-Fans ihren Roman vor. "Auf den Termin freue ich mich ganz besonders, denn da lese ich gemeinsam mit Ingrid Noll", sieht die Autorin der Veranstaltung erwartungsfroh entgegen. Am Sonntag steht sie in Leipzig um 13:30 Uhr am Schweizer Gemeinschaftsstand mit ihrem Buch auf dem Leseprogramm. Termine in Winterthur und Bregenz folgen - und Ostern sitzt sie wieder im Flugzeug mit Kurs auf Kalifornien.
Der Klett-Cotta Verlag hat der Autorin bereits das Okay für einen zweiten Fall gegeben. Der Ermittler Groth wird weiterleben. Was aus dem im ersten Krimi entlassenen Gerstacker wird, steht noch nicht fest. "Es gibt viele Möglichkeiten, aber da will ich jetzt noch nichts verraten", hält sich Susanne Tägder bedeckt. Krimiliebhaber können schon jetzt gespannt sein.