"Das Schweigen des Wassers": Raffinierter Ost-West-Krimi
Susanne Tägder zeigt mit ihrem ersten Krimi "Das Schweigen des Wassers" großes Talent, eine Geschichte nicht nur raffiniert zu entwickeln, sondern auch die politischen Umstände zu beleuchten.
Der Krimi beginnt mit einer Rückblende in das Jahr 1980. Die Leiche einer jungen Frau ist gefunden worden. Großeinsatz der Polizei. Im nächsten Kapitel springen wir in den Herbst 1991, also in die ersten Jahre nach der Wende. Kommissar Groth aus Hamburg ist nach Mecklenburg versetzt, offenbar geradezu abgeschoben worden. Sein Büro befindet sich im Erdgeschoss, dort wo der Parkplatz für Polizeifahrzeuge ist. Kurz nach seinem Dienstantritt klopft ein Mann ans Fenster, offenbar ein alkoholabhängiger Obdachloser. Er sagt, dass er verfolgt werde.
"Wer ist hinter Ihnen her?", fragt Groth. "Jemand, den ich von früher kenne." "Und was will derjenige von Ihnen?" Eck zuckt mit den Schultern. "Mein Leben." "Ihr Leben?" Die Rückfrage gerät Groth ein wenig zu laut. Groth bemüht sich, ein ernstes Gesicht zu machen. Er hat es im Lauf seiner Dienstjahre mehrfach mit Verfolgungswahn zu tun gehabt und weiß, dass er seine Worte vorsichtig setzen muss. "Ich glaube, dass es viele Gründe gibt, warum man sich verfolgt fühlt. Die meisten sind harmlos. Haben Sie denn Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr?"
Siegmar Eck verspricht, dass er wiederkommen wird mit Beweisen dafür, dass er verfolgt wird. Aber wenige Tage später findet man seine Leiche am Seeufer. Groth begibt sich zum Fundort der Leiche.
Er erinnert sich an die Winter seiner Kindheit, als er gar nicht weit von hier in zu dünnen Schuhen und zwei Paar Socken durch den Schnee lief. Groth fällt auf, wie viele seiner Erinnerungen an jene Zeit Wintererinnerungen sind, als sei ihm nur die Kälte präsent geblieben, dabei war er auch im Sommer oft hier am Strand zum Schwimmen.
Politisch brisanter Kriminalfall
Die Landschaft, in der die Krimihandlung verankert ist, sind die Seen um Neubrandenburg, die Gegend, aus der die Eltern der Autorin Susanne Tägder stammen. Groth fühlt sich verpflichtet, der Sache nachzugehen, obgleich es als Unfall eingestuft wird. Weil der Mann vor 20 Jahren als Mordverdächtiger zu DDR-Zeiten vor Gericht stand, aber ein absolut sicheres Alibi hatte, führt plötzlich ein ganzes Geflecht von Hinweisen zu diesem alten Fall. Die Akte ist verschwunden und nachdem Siegmar Eck freigesprochen worden war, hat man nicht mehr weiter in dem Fall ermittelt. Das ist mit großer erzählerischer Ruhe und Gespür für Timing aufgerollt. Politisch brisant und hervorragend auch in der Beschreibung des Misstrauens zwischen Ost und West in den 90er-Jahren.
Raffinierte Geschichte mit überraschender Auflösung
Susanne Tägder zeigt mit ihrem ersten Krimi großes Talent, eine Geschichte nicht nur raffiniert zu entwickeln, sondern auch die politischen Umstände zu beleuchten. Leserinnen und Leser sind als Mit-Ermittler gefragt und dürfen unterdessen eigene Beobachtungen sammeln und bis zum überraschenden Schluss Hypothesen zu den politischen Hintergründen entwerfen. Man freut sich schon auf den nächsten Stoff dieser Autorin mit dem sympathischen Ermittler ohne Vornamen, der hier einfach immer nur Kommissar Groth heißt.
Das Schweigen des Wassers
- Seitenzahl:
- 336 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Klett-Cotta
- Bestellnummer:
- 978-3-608-12254-1
- Preis:
- 17 €