Autor Maxim Leo: Der Traum von der ewigen Jugend
Der mehrfach ausgezeichnete Autor Maxim Leo dekliniert in seinem aktuellen Roman den Traum von der ewigen Jugend durch und was die alte Sehnsucht nach dem ewigen Leben real bedeuten könnte.
Wie wäre es, wenn es ein Medikament gäbe, das uns tatsächlich verjüngen könnte? Ein paar Jahre - 100 Jahre, 200 Jahre? Würden wir es nehmen? Was würde passieren? Was könnte eine solche Verjüngung für die Menschheit bedeuten? Maxim Leo dekliniert in seinem jüngsten Roman "Wir werden jung sein" durch, was die alte Sehnsucht vom ewigen Leben bedeuten würde, welche Glücksmomente, aber auch fatalen Folgen damit verbunden sein könnten.
Für seine autobiografische Familiengeschichte "Haltet Euer Herz bereit" wurde Maxim Leo 2011 mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichnet. Es folgten Bestseller wie "Wo wir zu Hause sind" (2019) und "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" (2022). Über seine Bücher, seine Kindheit und Jugend in Ost-Berlin, über Sehnsüchte und gewagte Experimente spricht der Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor in NDR Kultur à la carte.
Sie sind 54 Jahre alt. Ist das ein "mittleres Alter", das Sie spüren?
Maxim Leo: Es ist ein Alter, bei dem der Körper sich ständig bemerkbar macht. Ich habe jetzt gerade eine längere Waden-Problemphase hinter mir gelassen. Die folgte einer Hüft-Problemphase, die wiederum mit einer Tennisarm-Problematik einherging. Es gibt selten Phasen, wo gar nichts ist. Das war früher anders. Ich spiele viel Fußball und mache viel Sport, was ein Problem ist. Die Ärzte sagen, ich soll nur Dinge machen, wo man keinen Kontakt mehr mit anderen Leuten hat und was möglichst verletzungsarm ist - zum Beispiel Yoga, was ich furchtbar finde.
Warum? Frauen machen gerne Yoga. Ist das so eine Frauensache?
Leo: Ich weiß nicht. Für mich bedeutet Sport, mich völlig zu verausgaben und vor allem zu spielen. Das Spielerische ist bei mir ganz wichtig. Beim Yoga wird wenig gespielt. Ich muss immer lachen, wenn der aufschauende Hund oder die schielende Katze zum Einsatz kommen. Ich bin steif wie ein 100-Jähriger.
Das ist nicht die richtige Einstellung.
Leo: Das sagt meine Frau auch immer. Ich habe auch ein kleines Glaubensproblem. Die Yogalehrerin meiner Frau ist ein bisschen esoterisch, und dann geht es gleich in den Kosmos und es werden Duftöle auf die Stirn getupft, das finde ich wieder ganz schön. Aber da gab es neulich ein nettes Missverständnis. Sie tupfte mir Eukalyptusöl auf die Stirn, und es lief mir ins Auge, meine Augen tränten. Sie sagte: 'Lass los, lass los, weinen ist gut.' In diesem Kurs war ich Weinbester, aber nicht Bewegungsbester.
Für dieses Buch "Wir werden jung sein" sind Sie kräftig in die Recherche gegangen. Sie haben gelesen und haben sich mit Wissenschaftlern getroffen. Was hat Sie bei der Arbeit an dem Buch am meisten gefesselt? Was hat Sie an dieser Idee interessiert?
Leo: Der Ausgangspunkt war ein kleiner Artikel in der Zeitung. Da stand drin, dass die Forschung weltweit an Verjüngungsmedikamenten unglaublich rasant vorangehe. Was mir nicht bewusst war, dass das so ein großes Thema in der Pharmaforschung ist. Es gibt das "Altos Labs" in Amerika von dem Amazon-Chef Jeff Bezos, gegründet, das erste Medizin-Start-up mit offenem Budget. Der hat gesagt, 'Macht, was ihr wollt, aber macht schnell'.
Er kann sich für sein Geld alles kaufen, auch die Jugend, so hofft er.
Leo: Jeff Bezos hat wahrscheinlich irgendwann gemerkt, dass selbst er vielleicht irgendwann sterben könnte, und hat alle möglichen Nobelpreisträger engagiert. Das eigentlich Interessante war, das in dem Artikel stand, dass es in der Wissenschaft mittlerweile immer mehr Leute gebe, die sagen, es geht nicht mehr um die Frage, ob es irgendwann dieses Medikament geben wird, sondern nur noch, wann. Optimisten sagen, in zehn Jahren, andere sagen in 50 Jahren, aber immer weniger sagen nie. Das fand ich faszinierend, weil das Thema jünger werden ist eine der ältesten Menschheitsträume. Sie wurde auch in Literatur, Film und in allen möglichen Kunstformen hinlänglich verarbeitet, aber immer als Science-Fiction-Thema. Dass es jetzt auf einmal etwas sein könnte, was möglicherweise in meiner Lebenssparte noch eine Rolle spielen könnte, fand ich spannend. Es hat bei mir sofort ein Kopfkino entfacht und natürlich habe ich mich sofort gefragt, würde ich es nehmen? Was würde passieren? Wie wäre das?
Trotzdem leben in der Endlosschleife? Das wäre auch eine Herausforderung.
Leo: In jeder Buchhandlung, in die man heute geht, stehen Quadratmeter an Büchern, wo es um Lebens-Hilfe, um Glücks-Beratung und um die Frage geht, wie können wir die Lebensspanne, die wir heute haben einigermaßen sinnvoll füllen? Das heißt, dass wir offenbar nicht so wahnsinnig begabt darin sind, Glück und Erfüllung zu finden oder wir zumindest viel Hilfe dabei brauchen. Wenn man sich vorstellt, dass wir unsere Lebenszeit verdoppeln, verdreifachen und dann 250 Jahre permanent glücklich sein müssten? Was bedeutet das für unsere Lebensentwürfe? Reicht da eine Ehe, reicht da ein Traum oder ein Beruf? Oder muss man sich immer wieder neu erfinden? Ist das nicht wahnsinnig anstrengend?
In der Zeit Ihrer Ausbildung haben Sie in der Nähe der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gearbeitet, die bis zur Wende auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für physikalische Chemie in Ost-Berlin gearbeitet hat. Haben Sie sie kennengelernt?
Leo: Wir waren im gleichen Labor. Wir haben zwei Jahre lang zusammen zu Mittag gegessen, was jetzt spektakulärer klingt, als es am Ende war. Sie war eine ganz normale Kollegin. Ich bin ihr wahrscheinlich auch nicht aufgefallen, sie mir auch nicht. Erst als sie später Jugendministerin wurde, war ich schon junger Journalist. Wir sind zusammen mit Helmut Kohls Hubschrauber nach Rügen geflogen. Das hat mich wesentlich mehr beeindruckt als die Jahre in der Akademie. Vor allem der Rückflug war beeindruckend, weil wir im militärischen Teil von Berlin-Tegel gelandet sind. Sie fragte mich, wie ich nach Hause komme, und ich sagte: mit der S-Bahn. Sie nahm mich dann vom Rollfeld mit ihrem Dienstwagen mit und hat mich zu Hause vorbeigefahren, eine sehr fürsorgliche Ministerin. Seitdem waren wir immer ein bisschen in Kontakt, aber nicht übermäßig.
Sie haben Ihre Familie sehr intensiv durch zwei Bücher beleuchtet. Das sind familienautobiografische Geschichten. Sie sind Jahrgang 1970 in Ost-Berlin geboren und haben 19 Jahre Ihres Lebens hinter der Mauer gelebt. Ihre Eltern, das beschreiben Sie, waren speziell. "Die beiden sahen immer so aus, als wären sie gerade von irgendeiner Theaterbühne heruntergestiegen und wären nur kurz zu Besuch im richtigen Leben", sagen Sie. Erzählen Sie von Ihren Eltern.
Leo: Meine Eltern sind sehr unterschiedliche Menschen. Mein Vater ist Maler und Grafiker und hatte immer unterschiedlich gefärbte Haare, mal blau, mal grün. Er trug immer Lederjacken und bellte auf der Straße, wenn er schöne Frauen sah. Das war für ein Kind das furchtbarste, was es gibt, wenn der Vater so auffällig ist. Als Kind will man nicht auffallen, oder anders sein als die anderen. Meine Mutter war viel ruhiger, viel gesetzter, aber sie lief auch immer so komisch herum mit irgendwelchen russischen Fliegerkappen. Meine Eltern sahen immer anders aus als die anderen Eltern. Ich habe mir damals nichts anderes gewünscht, als dass sie ein bisschen normaler sein könnten. Ich habe zum Beispiel Pläne von unserer Wohnung gezeichnet, in der Couchgarnituren, eine Schrankwand und ein Fernseher stehen - wie in anderen Wohnungen. Bei uns gab es nur Bücherregale und irgendwelche harten Stühle. Mein Vater hat immer gesagt: 'Wenn man sich was zu sagen hat, muss man nicht bequem sitzen'. Diese Unnormalität, die mir später immer mehr gefallen hat, die ist mir als Kind natürlich wahnsinnig auf die Nerven gegangen.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.