Zwei Ukrainerinnen zur Verleihung des EMR-Friedenspreises
Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück geht an die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja, der Sonderpreis an den ukrainischen Zeichner Serhiy Maidukov. Das sorgt für Diskussionen. Zwei Ukrainerinnen äußern sich.
Am 22. Juni vor 125 wurde der Schriftsteller Erich Maria Remarque in Osnabrück geboren. Und heute wird der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis in seiner Geburtsstadt verliehen. Diesmal an die Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja und den Zeichner Serhiy Maidukov. Aber zum Festakt am Abend wird nur eine von beiden erscheinen. Der ukrainische Künstler möchte nicht mit einer Russin auf der Bühne stehen.
Nichts ist schön
Es wäre so schön gewesen: eine russische Autorin im Exil, ein ukrainischer Zeichner, beide mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis in der Hand - ein deutsches Publikum, das stehend applaudiert, danach gibt es Sekt und Schnittchen. Ja, es wäre so schön gewesen, nur: "Nichts ist schön!", sagt Daniella Preap. "Es sieht erstmal so aus. Das ist schlimm für beide - aber so ignorieren wir, dass dieser Krieg einen Angreifer hat und ein Opfer. Es gibt hier ganz sicher einen Bösen und einen Guten. Menschen leiden, aber wir leiden nicht auf die gleiche Weise."
Der Krieg verändere alles
Daniella Preap ist eine ukrainische Tänzerin aus Kiew, sie ist direkt nach Beginn des russischen Angriffskrieges Anfang 2022 nach Hamburg geflohen. Ihre Schwester, Freunde, Freundinnen leben noch in Kiew. Bekannte von ihr sind in der ukrainischen Armee. Sie kennt Familien, die Kriegsopfer zu beklagen haben. Deshalb kann Daniella Preap die Absage von Sergiy Maidukov, der in der Ukraine lebt, gut verstehen. Der Krieg verändere alles.
Sie findet, Friedenspreise für Russen und Ukrainer sind gut gemeint, aber leider jetzt und in naher Zukunft völlig fehl am Platz. Denn: "Es herrschen keine gleichen Bedingungen. Bevor Russland sich nicht aus der Ukraine zurückzieht, Reparationen zahlt, Verantwortung übernimmt, seine Schuld eingesteht, ist kein Hand-Shake auf einer deutschen Bühne möglich", sagt sie.
"Nein zum Krieg"
Wer heute über Menschen im Exil aus Russland und der Ukraine spricht, merkt schnell: Sie haben zum Teil nichts gemein. "Hier prallen Systeme aufeinander, sprachlich, emotional: Denn Ukrainer, Ukrainerinnen im Exil müssten ständig um das Leben ihrer Liebsten fürchten. Menschen aus Russland allerdings so gut wie nie", sagt Daniella Preap. Selbst wenn Ljudmila Ulitzkaja erklärte Putin-Gegnerin ist, selbst sie, sagt Daniella Preap, gehöre einer Kultur an, die diesen Angriffskrieg möglich gemacht habe. "Nein zum Krieg" zu sagen im sicheren Exil, reiche ihr nicht. Es werde Jahre dauern, bis sich dieser Spalt schließe. Für manche gehe das Leben weiter, für andere nicht.
Reden ist nicht das Problem
Auch Mariia Vorotilina stammt aus der Ukraine, arbeitet seit fünf Jahren im Kulturbereich in Hamburg. Für die Absage des ukrainischen Künstlers hat auch sie volles Verständnis. "Es gibt klare Gründe dafür und die heißen: Krieg, Kriegsverbrechen - was der Horror ist und was schon lange in der Ukraine geschieht." Sie selbst hat schon die Teilnahme an Podiumsdiskussionen abgelehnt, bei der sie neben einem Künstler, einer Künstlerin aus Russland sitzen sollte. Sie beklagt, es gebe in Deutschland eine herablassende, fast kolonialistische Haltung, nach dem Motto: "Mensch, setzt euch doch einfach mal zusammen und redet, dann wird alles gut.""Als wäre "reden" das Problem", sagt sie.
"Es ist ein sehr typisches politisches Ziel des Westens, sehr herablassend, denn was gerade in der Ukraine passiert, ist Horror, besonders seit der Zerstörung des Kachowka Dammes", sagt Vorotilina, deren Familie in der Ukraine lebt. Sie selbst würde sich mit russischen Exilkünstlern zusammensetzen, die sich jahrelang aktiv gegen das Putin-Regime gewehrt hätten und sich hier, im Exil, aktiv für die Ukraine einsetzten. Allerdings kenne sie niemanden, der sich nicht selbst als Opfer stilisiere.
Chance auf Veränderung längst nicht in Sicht
Daniella Preap hat neulich einen russischen Künstler im Exil getroffen, der sich erst nach mehreren Anläufen als Russe outete. Und anschließend Englisch mit ihr weitersprach, obwohl fast alle aus der Ukraine Russisch können. Eine kleine Geste der Demut, die sie berührt hat. Im Moment sieht sie in Russland aber keine Chance auf Veränderung. So lange könne sie nicht auf einer Bühne Hände schütteln, als wäre alles "schön".