Ljudmila Ulitzkaja sitzt mit einer Tasse in der Hand an einem Tisch. © Claudia Thaler/dpa Foto: Claudia Thaler
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Ljudmila Ulitzkaja sitzt mit einer Tasse in der Hand an einem Tisch. © Claudia Thaler/dpa Foto: Claudia Thaler
AUDIO: Debatte um Osnabrücker Friedenspreis wegen Preisträgerauswahl (4 Min)

Debatte um Osnabrücker Friedenspreis wegen Preisträgerauswahl

Stand: 24.04.2023 10:44 Uhr

In diesem Jahr ist die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja die Preisträgerin des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises der Stadt Osnabrück. Der Sonderpreis geht an den ukrainischen Zeichner Sergiy Maidukov. Nun ist eine Debatte entbrannt, ob bei der Auswahl der Preisträger und Preisträgerinnen etwas mehr Sensibilität angebracht gewesen wäre.

von Severine Naeve

Ein "Zeichen der Hoffnung" wollte man setzen mit der diesjährigen Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises der Stadt Osnabrück. Zumal wir uns im 375. Jubiläumsjahr des westfälischen Friedens befinden. Das ist kräftig missglückt. Der Ukrainer Sergiy Maidukov hat offiziell abgelehnt, mit der Russin Ljudmila Ulitzkaja auf einer Bühne zu stehen. Er schrieb der Jury eine charmante, aber deutliche Absage:

"Da ich mich um meine Psyche sorge, vermeide ich schwierige Gefühle in diesen Zeiten. Ich habe bisher genug russische Präsenz in meinem Leben, also würde ich nur an einem anderen Tag als der Zeremonie kommen. Es wäre mir eine Ehre, zu kommen und Sie und das Team live zu treffen und mich live zu bedanken." Zitat aus der Absage von Sergiy Maidukov

Russin und Ukrainer gemeinsam auf einer Bühne?

Sergiy Maidukov © Serhii Sarakhanov
Der ukrainische Zeichner Sergiy Maidukov hat es offiziell abgelehnt, persönlich bei der Preisverleihung am 22. Juni in Osnabrück zu erscheinen.

Die Historikerin und Osteuropa-Expertin Franziska Davies von der Ludwig-Maximilians-Universität München überrascht dies nicht. "Das Hauptproblem ist diese Vorstellung: Man könne von jemandem aus der Ukraine erwarten, dass er sich für einen Friedenspreis zusammen mit jemandem aus Russland auf eine Bühne stellt", sagt Davies.

Sven Jürgensen ist Leiter des Remarque-Friedenszentrums und Mitglied der Friedenspreis-Jury. Er sagt, man sei sich des Risikos bewusst gewesen, habe aber dennoch gehofft, beide Preisträger in Osnabrück gemeinsam auszeichnen zu können. "Beide haben den Preis angenommen", sagt er. "Frau Ulitzkaja wird am 22. Juni in Osnabrück sein, Herr Maidukov nicht - was wir natürlich zu akzeptieren haben und auch, soweit es uns möglich ist, zu verstehen haben."

Remarque-Friedenszentrum: "Die Absichten waren nur die besten"

Schließlich sei die Auswahl gut gemeint gewesen, die Absichten seien nur die besten gewesen. "Dass wir den Krieg damit nicht beenden und faktisch unmittelbar politisch etwas erreichen können, ist uns klar", erklärt Jürgensen. "Gleichwohl verpflichtet der Name Remarque dazu, an etwas zu glauben. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als daran zu glauben, dass wir in Zukunft auch wieder friedlich miteinander leben wollen, das sollte das Zeichen sein."

Hauptpreisträgerin Ljudmila Ulitzkaja lebt im Exil in Berlin

Die Trägerin des Hauptpreises, die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja lebt im Exil in Berlin, ist eine Kritikerin des Regimes von Putin. Ihre Bücher sind in Russland verboten. Hätte man da nicht eine andere Reaktion von Sergeij Maidukov erhoffen dürfen?

Historikerin Franziska Davies sieht das anders. "Es ist wichtig, dass wir nach wie vor mit Russinnen und Russen Solidarität zeigen, die gegen Putins Regime sind und sich gegen den Krieg positioniert haben", sagt sie. "Aber, dass das gerade nicht die Priorität der Ukrainerinnen und Ukrainer ist, dankbar zu sein für jeden Menschen, der dieses Regime nicht unterstützt, ist irgendwie auch völlig nachvollziehbar menschlich." 

Traditionelle Nähe Deutschlands zu Russland

Dass die Jury den Hauptpreis an eine russische Schriftstellerin vergeben hat, sieht Davies in der traditionellen Nähe Deutschlands zu Russland begründet. "Das hat auch mit einer besonderen deutschen Sehnsucht nach einer Freundschaft, einer guten Beziehung zu Russland zu tun", erläutert er. "Die Kultur spielt da durchaus eine Rolle. Dostojewski, Tolstoi, Tschaikowski - Literatur und Kultur beeinflussen unser Russlandbild und haben auch dazu geführt, dass wir die Ukraine übersehen haben, die ebenfalls eine sehr reiche Kulturgeschichte hat."

Warum geht der Hauptpreis an eine Russin?

Warum also diese Gewichtung bei der Preisvergabe? Der große Preis, immerhin mit 25.000 Euro dotiert, an die russische Schriftstellerin Ulitzkaja und der vergleichsweise bescheidene Sonderpreis mit 5.000 Euro an den ukrainischen Zeichner? Sven Jürgensen von der Remarque Friedensstiftung sagt: "Wir hätten natürlich ukrainische Künstler und Schriftsteller finden können, Musiker finden können, aber wir wollten auch eine etwas prominentere Figur. Nachdem wir die Schriftstellerin Ulitzkaja gefunden haben, haben wir uns der ukrainischen Seite zugewandt und sind dann eben auf Maidukov gekommen."

Eine Favorisierung russischer Kultur sieht Jürgensen zwar nicht, aber wohl ein klares Bekenntnis. "Wie geht es anders mit Tolstoi oder Rachmaninov?", sagt er. "Da kann man sich nicht von abwenden, wenngleich dieses Land und der Staat einen Krieg führt, den wir zu kritisieren haben und den wir auch kritisieren."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 24.04.2023 | 07:20 Uhr

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