Die Hochschule für Musik und Theater HMT im ehemaligen Katharinenkloster © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck
Die Hochschule für Musik und Theater HMT im ehemaligen Katharinenkloster © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck
Die Hochschule für Musik und Theater HMT im ehemaligen Katharinenkloster © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck
AUDIO: Gemeinsam auf der Bühne: Ukrainische und russische Studierende (4 Min)

Gemeinsam auf der Bühne: Ukrainische und russische Studierende

Stand: 22.06.2023 11:56 Uhr

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer möchten bei Konzerten, Theaterstücken und anderen Veranstaltungen nicht mit Russinnen und Russen das Rampenlicht teilen. Wie wird diese Debatte an der HMT Rostock geführt?

von Ramon Gerwien

Ein kleiner, unscheinbarer Raum im ehemaligen Katharinenkloster - heute genutzt von der Hochschule für Musik und Theater Rostock (HMT) - in der östlichen Altstadt Rostocks. Zu hören ist ein Auszug aus einer Suite des ukrainischen Komponisten Valerii Marchenko, entstanden im vergangenen Jahr. An der Posaune: Pavlo Titiaiev. Er ist einer von zehn ukrainischen Studierenden hier. Sein Instrument hat ihn um die ganze Welt gebracht. Am Klavier sitzt Dariya Yastrezhembskaya. Noch vor Kurzem gehörte sie zu den zehn russischen Studierenden an der Hochschule, heute ist sie Dozentin.

Gemeinsam bereiten sie mit weiteren Musikern ein Konzert vor. Doch ihre Zusammenarbeit bedeute nicht, dass es generell eine ukrainisch-russische Freundschaft an der Musikhochschule gebe, sagen sie. Pavlo Titiaiev blickt zurück: "Am Anfang, im März 2022, hatte ich ein paar Konflikte mit russischen Leuten. Ich habe ein paar Leute blockiert. Aber viele Leute haben ihr Denken gewechselt."

Weitere Informationen
Sergiy Maidukov © Serhii Sarakhanov

Osnabrück: Kontroverse um Verleihung des Friedenspreises

Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis wird seit 1991 alle zwei Jahre verliehen. Dieses Mal ging er an Ljudmila Ulitzkaja und Sergiy Maidukov. mehr

Kein Umdenken nötig bei Dozentin Dariya Yastrezhembskaya

Umdenken musste die Moskauerin Dariya Yastrezhembskaya nicht. Ihre ukrainische Mutter zog sie eher westlich auf. Die Pianistin hat wenig Verständnis für die russische Regierung, viel jedoch für ukrainische Menschen. Nach dem Ausbruch des Krieges blieb sie geduldig und respektierte Konzertabsagen: "Ich werde nie verlangen, dass sie zwingend mit mir kommunizieren. Ich verstehe das total. Wahrscheinlich führt dieses Verständnis später zu den Kontakten, weil momentan zum Glück alles gut mit meinen ukrainischen Kontakten ist. Eine Zeit lang war es natürlich schwer."

Mit diesem Verständnis für die ukrainische Seite bezieht sie klar Stellung. Das ist für den 24-jährigen Posaunisten das Wichtigste: dass ein Mensch sich eindeutig gegen den Krieg auf ukrainischem Boden ausspricht. Davon hängt ab, mit wem er musikalisch zusammenarbeitet. Es sei immer eine individuelle Entscheidung. "Viele Leute sagen, in der Ukraine sprechen wir nicht mit Leuten aus Russland, aber ich glaube, so kann es nicht sein. Wir müssen gucken, wer diese Person ist. Dariya zum Beispiel hat wirklich viel gemacht für die Ukrainer. Ich glaube, das ist unglaublich gut, und wir müssen etwas zusammen machen."

Individueller Umgang mit russischen Komponistinnen und Komponisten

Der Mensch stehe an erster Stelle. Aus welchem Land jemand komme, sei nicht wichtig, findet auch Dariya Yastrezhembskaya: "Wir sind alle Menschen. Wir müssen nicht einschätzen: Jemand hat diesen oder jenen Pass und ist deswegen ein schlechter Mensch oder ein guter Mensch. Das ist wichtig, weil wir alle individuell sind." Deshalb spielt die Nationalität für beide keine Rolle bei der Auswahl ihrer Stücke. Pavlo Titiaiev lehnt nicht - wie viele seiner Landsleute - prinzipiell russische Komponisten ab: "Viele Leute sagen, wir spielen keine Tschaikowski oder Rachmaninov. Ich verstehe das, aber ich glaube: Wichtig ist die Biografie und was dieser Komponist gemacht hat."

Weitere Informationen
Hochschule für Musik- und Theater in Rostock © HMT Rostock

Junge Hochschule mit historischen Wurzeln

Erst 1994 wurde die Hochschule für Musik und Theater in Rostock gegründet. Trotzdem blickt sie auf eine lange Tradition zurück, wie unsere Kulturjournal-Serie "25 Orte in MV" zeigt. mehr

Die 30-jährige Moskauerin nickt zustimmend, ergänzt aber, dass ihr derzeit die Lust fehle, russische Musik zu spielen. Für sie soll gerade jetzt viel mehr die ukrainische Kultur im Mittelpunkt stehen: "Viele ukrainische Komponisten waren lange Zeit unterdrückt. Wir müssen ihnen diese Chance sowieso geben und mehr spielen." Deshalb begegnet sie russischen Freunden auch in diesem Punkt mit einer klaren Meinung: "Mit russischer Kultur beschäftigen wir uns ein bisschen später. Zuerst muss der Krieg zu Ende sein."

Gemeinsames Konzert am 2. Juli

Bis dahin werden Dariya Yastrezhembskaya und Pavlo Titiaiev weiter tagtäglich die Nachrichten verfolgen - mit der Hoffnung, dass ihren Familien nichts passiert ist. So lange wollen sie weiter Musik machen und mit der Wahl ihrer Mitmusiker und der Stücke, die sie spielen, ein kleines Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzen - hier an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Ein Konzert ukrainischer und russischer Musikerinnen und Musiker der HMT gibt es am 2. Juli in der Heiligen Geist Kirche in Rostock.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 22.06.2023 | 11:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Sänger Maxim von der Band The Prodigy während eines Auftritts in Kopenhagen 2023. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender 2025 dabei

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für kommendes Jahr angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?