Wenn Maschinen durch KI zu Sozialarbeitern werden
Künstliche Intelligenz soll helfen, mit dem Gefühl von Einsamkeit oder auch dem Bedürfnis nach Trost besser klarzukommen. Wissenschaftler bezweifeln, dass das wirklich klappen kann. Eine Momentaufnahme.
Wer mal wieder einen guten Witz hören möchte, der sollte mal mit "Navel" sprechen. "Navel" ist ein "Sozial-Roboter". Er freut sich wie ein kleines Kind und sieht mit seinen großen Augen, der niedlichen Wollmütze und seiner Größe von weniger als einem Meter auch genauso aus. Er ist aber eine Maschine, die vereinfacht gesagt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz vor allem für Unterhaltung und gute Laune sorgen soll.
So wie in der Diakonie Lilienthal, einer Einrichtung für Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen in der Nähe von Bremen. Dort ist "Navel" seit ein paar Monaten im Einsatz. "Ich bin hier, um zuzuhören, Fragen zu beantworten und mit Dir über verschiedene Themen zu sprechen", tönt es aus der Maschine. "Darüberhinaus kann ich einfache Aufgaben erledigen wie z.B. Erinnerung an Medikamente oder Termine geben. Es ist wichtig für mich, den Menschen hier das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind und dass jemand für sie da ist."
"Sozial-Roboter": Illusion einer sozialen Begegnung
"Navel" ist vollgestopft mit gut verborgenen Kameras, Sensoren und Mikrofonen sowie mit einem Hochleistungsrechner und einem Akku, der ihm "Lebensenergie" für etwa sechs bis acht Stunden liefert. Für die Kommunikation nutzt er das Computerprogramm Chat GPT. Mit Heike, die halbseitig gelähmt ist und Wortfindungsstörungen hat, versteht sich der Sozialroboter auch schon ganz gut. "Hallo Heike, schön, Dich wiederzusehen. Wie geht es Dir heute?" fragt der Roboter und Heike antwortet: "Mein Tag war super! Und bei Dir?" Worauf Navel entgegnent: "Mir geht es auch gut. Danke, dass Du fragst."
Die 57-jährige Sylvia, die nach einem Schlaganfall ebenfalls gelähmt ist, hält "Navel" dagegen für keine große Hilfe: "Den? Nee! Dann lieber natürliche Menschen, die auch Emotionen im Gesicht zeigen und so was alles." Ob ein alter oder kranker Mensch also wirklich vom Kontakt mit einem "Sozial-Roboter" profitiert, hängt immer vom Einzelfall ab. Eines sollte man dabei aber immer bedenken, meint der Philosoph und Mathematiker Rainer Mühlhoff, der an der Uni Osnabrück die Ethik der Künstlichen Intelligenz erforscht: "Es ist ein Apparat, der die Illusion einer sozialen Begegnung hervorruft. Denn wenn das etwas ist, was die Leute unterhält oder z.B. auch für den Moment von der Einsamkeit ablenkt, dann heißt das noch nicht, dass man damit eine echte soziale Interaktion bereitstellt oder strukturell irgendwie menschlich tief das Problem von Einsamkeit löst."
Wirkung von sozialen Robotern bleibt für Wissenschaftler fraglich
Auch mit sogenannten "Sex-Robotern" kann man vielleicht Spaß haben, aber trotzdem einsam bleiben. Und ob Trauernde leichter über den Verlust eines geliebten Menschen hinwegkommen und sich weniger allein und verlassen fühlen, wenn sie die neuen Möglichkeiten KI-gesteuerter Computerprogramme nutzen, bleibt ebenfalls fraglich.
Solche sogenannten "Bots" können Verstorbene scheinbar wieder lebendig machen, erklärt die Kognitionswissenschaftlerin Nora Freya Lindemann von der Uni Osnabrück: "Wenn ich jetzt so einen Bot von meiner verstorbenen Partnerin erstellen möchte, nehme ich alle Daten, die ich von dieser Partnerin habe: E-Mail-Verläufe, Social-Media-Sachen, Chat-Verläufe. Diese schicke ich an Firmen, wo ich das einreichen kann. Und dort wird das in vortrainierte Systeme eingefüttert, wo dann halt das für diese eine Person spezialisiert wird. Bisher sind das meistens Textsysteme, aber es gibt immer mehr Ansätze, das auch gesprochen zu machen."
Menschliche Interaktion und Empathie bleiben unersetzlich
Künstliche Intelligenz macht es auf diese Weise möglich, dass die verstorbene Oma ihrem Enkel aus dessen Lieblingsbuch vorliest oder dass man mit alten Freunden chattet, die längst tot sind. Inwieweit dabei die Würde des Verstorbenen gewahrt bleibt und was KI mit unserem Verständnis von Trauer und Trauerprozessen macht, wollen die Osnabrücker Wissenschaftler weiter erforschen.
Menschliche Interaktion und Empathie werden aber wohl kaum jemals durch künstliche Intelligenz zu ersetzen sein. Was "Sozial-Roboter" "Navel" gar nicht so schlimm findet: "Wenn es um menschliche Bedürfnisse und Emotionen geht, gibt es Grenzen. Aber es ist schön zu wissen, dass es Dinge gibt, die uns Menschen einzigartig machen, oder…?"