Verkehrsplanerin Krause: "Frauen haben nachhaltigeres Verkehrsverhalten"
Juliane Krause entwirft Fahrradkonzepte für ganz Deutschland. Sie erzählt, was es für eine Moblitätswende braucht und warum es ein Unterschied ist, ob Männer oder Frauen Verkehrskonzepte planen.
Die Verkehrsplanerin aus Braunschweig ist seit 30 Jahren mit ihrem Planungsbüro selbständig und ist selbst passionierte Fahrradfahrerin.
Was ist denn das Schönste, was Sie so auf dem Fahrrad erleben?
Juliane Krause: Das Schönste ist einfach dieses Freiheitsgefühl. Zum Beispiel nach der Büroarbeit in den Abend hineinzuradeln oder auch am frühen Morgen. Oder im Urlaub. Gerade jetzt im Sommer, wenn die Sonne scheint. Aber ich bin auch Alltagsradlerin. Ich radle auch im Winter, zu jeder Jahreszeit. Mir macht es einfach Spaß, allein und selbständig voranzukommen.
Und was ist das Schlimmste, was Sie erleben?
Krause: Was nervt ist das Hupen von den Autos, wenn man als Fahrradfahrerin auf der Straße, auf der Fahrbahn fährt. Denn das darf man, weil es nicht immer vernünftige Radwege gibt und auch die nicht benutzungspflichtig sind. Wenn man dann von Autos angehupt wird, nach dem Motto: nun fahr aber mal auf dem Gehweg, nervt das total, denn auf dem Gehweg behindere ich natürlich diejenigen, die zu Fuß gehen. Es nervt, dass die Autofahrenden nicht wissen, wie diesbezüglich die Rechtslage ist.
Vor 30 Jahren haben Sie angefangen, Fahrradwege zu konzipieren. Wie war Niedersachsen, Norddeutschland oder Deutschland überhaupt damals aufgestellt? Und wie hat sich das in den letzten Jahrzehnten verändert?
Krause: Es hat sich zum Positiven verändert. Wenn man heute die Radverkehrssituation in den Städten sieht, dann hat sich schon eine ganze Menge getan. Es gibt gute Radwege, es gibt breite Radwege. Man hat auch teilweise schon an den Ampelschaltungen gearbeitet, dass man nicht mehr so lange warten muss. Aber Niedersachsen ist auch, sagen wir mal, ein Rad-Touristik-Land, also ein Land, was auch sehr viel für den Freizeitverkehr, für den Radverkehr tut. Als ich damals als Radverkehrsplanerin angefangen habe - da war ich noch an der Universität in Kaiserslautern, da habe ich die Vorlesung dazu gehalten - da war es noch sehr exotisch, wenn man sich mit dem Thema Radverkehr beschäftigte.
Welche Anreize muss denn eine Stadt schaffen, um mehr Menschen aufs Rad zu bringen?
Krause: Sie muss eine vernünftige Radverkehrsinfrastruktur haben, dass auch diejenigen, die sich nicht so sicher fühlen, auf dem Fahrrad ein gutes Gefühl haben und dann eben auch beim Radfahren. Das gilt vor allen Dingen auch für Kinder, also, dass Eltern zulassen, dass ihre Kinder auch Radfahren. Dafür brauche ich eine gute Infrastruktur. Aber ich brauche auch eine Politik und eine Verwaltung, die das Thema Radverkehr ernst nehmen. Da hat eine ganze Menge zu beigetragen: die Radentscheide, die es ja landauf, landab gegeben hat, was dann in politische Beschlüsse umgesetzt worden ist, sodass der Radverkehr oder auch die Radverkehrslobby einen größeren Stellenwert haben.
Beeinflusst es denn Fahrradkonzepte einer Stadt oder eines Dorfes oder auf dem Land, wenn Männer oder Frauen sie planen?
Krause: Ich denke schon. Ich bin eine Frau und ich mache Radverkehrs-Konzepte und Radverkehrsplanung. Das heißt, ich denke, sagen wir mal, in Wege-Beziehungen, die überwiegend von Frauen zurückgelegt werden. Frauen legen ihre Wege in Wegeketten zurück, weil sie viele Wege pro Tag zurückzulegen haben. Das sind nicht nur Quelle-Ziel-Beziehungen, also Radschnellverbindungen, sondern eben auch Stadtteil-Verbindungen, also braucht es Radverkehrsnetze, die diese Belange berücksichtigen: dass sie gut zum Kindergarten kommen, gut zur Schule und gut zu den Einkaufseinrichtungen.
Sie haben mal gesagt, Frauen sind die Vorreiterinnen für nachhaltige Mobilität. Wir wissen, dass es immer wieder Konflikte zwischen Autofahrern und Radfahrern, zwischen Radfahrern und Fußgängern gibt. Das soll jetzt kein neuer Konflikt werden zwischen männlichen und weiblichen Verkehrsteilnehmerinnen oder -planern?
Krause: Nein, aber ich habe das mal in einem Vortrag gesagt oder auch mal so geschrieben, weil es so ist, dass Frauen überwiegend zu Fuß gehen, mehr als die Männer. Der Radverkehrsanteil ist ungefähr gleich, aber Frauen benutzen auch häufiger den ÖPNV und sind häufiger Mitfahrende im Pkw als Selbstfahrende. Wenn wir jetzt in Richtung Mobilitätswende oder Verkehrswende denken, dann müssen diese Verkehrsmittel wie vor allen Dingen zu Fuß gehen, das Radfahren und die ÖPNV-Nutzung viel stärker gefördert werden, dass man weniger mit dem Auto fährt. Frauen haben ein nachhaltigeres Verkehrsverhalten als, sagen wir mal die Männer, die nur morgens zur Arbeit pendeln und wieder zurück mit einem Pkw. Aber das haben Frauen auch manchmal unfreiwillig, weil sie oft nicht über so viel Geld verfügen und über einen eigenen Pkw, gerade wenn sie alleinerziehend sind.
Wenn Sie ein Fahrradkonzept einer Stadt auf die Region kopieren könnten, in der sie mit dem Fahrrad unterwegs sind, wo würden Sie sich die Inspiration holen? Wo ist das fahrradfreundlichste Vorbild?
Krause: Es wird ja sehr viel über Kopenhagen gesprochen. Ich habe selber mal eine Rad-Exkursion nach Kopenhagen gemacht und die machen eine vernünftige Radverkehrsplanung seit über 40 Jahren. Da ist Radfahren ganz selbstverständlich, die Infrastruktur ist gut, sie haben Vorrang an den Ampelschaltungen - die Radfahrenden dominieren quasi die Stadt. Und Paris zieht jetzt nach. Ich habe auch mal eine Weile in Freiburg ein Konzept gemacht: da werden Radfahrende ernst genommen, die Autos hupen nicht, da ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Radfahrenden in der Stadt als gleichwertiges Verkehrsmittel unterwegs sind.
Das komplette Interview können Sie oben auf dieser Seite nachhören. Das Gespräch führte Philipp Schmid.