Unermüdlicher Brückenbauer: Andor Izsák feiert 80. Geburtstag
Der ungarische Musikwissenschaftler und Dirigent Andor Izsák engagiert sich als ehemaliger Leiter des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik noch immer leidenschaftlich für der Vermittlung synagogaler Musik aus aller Welt. Nun hat er seinen 80. Geburtstag gefeiert.
1944 wird er im Getto von Budapest geboren. Er kommt zur Welt, als um ihn herum eine Welt untergeht. Früh findet der Mann, der als Säugling dem Holocaust entging, seine Lebensaufgabe darin, die ausgelöschte jüdische Kultur zu bewahren oder besser gesagt, das zu bewahren, was möglich war. Unermüdlich sammelt er Noten und organisiert Konzerte mit jener Musik, die vor der Shoa in den Synagogen Europas erklang.
Er sammelt Tonträger, alte Schellack-Platten, auch Wachswalzen - all das, was die Nazis vernichten wollten. Und die von ihm so verehrten Synagogalorgeln. Sieben hat er aufgespürt. Eine von ihnen steht heute in der Villa Seligmann in Hannover. "Es war ein langer, steiniger Weg", kommentierte Izsák einmal rückblickend sein Lebensthema, "aber es hat sich gelohnt."
Villa Seligmann: Schauplatz einer deutsch-jüdischen Erfolgsgeschichte
Mit seiner Frau, der Pianistin Erika Lux, siedelt er in den Achtzigern nach Deutschland über. Anfang 2012 zieht das von ihm gegründete "Europäische Zentrum für jüdische Musik" in die Villa Seligmann ein. Der Prachtbau, einst errichtet vom jüdischen Conti-Direktor Siegmund Seligmann, wurde so zum zweiten Mal Schauplatz einer deutsch-jüdischen Erfolgsgeschichte. Heute ist die Villa aus dem Kulturprogramm der Stadt nicht mehr wegzudenken. Oder wie Andor Izsák einmal sagte: "Für die Synagogenmusik ist dieses Haus wie ein passendes Etui."
Dass ihm ausgerechnet Deutschland zu seiner neuen Heimat wird, zählt zu den verrückten Wendungen in seinem bewegten Leben. "Das Schönste in meinem Leben ist, dass die Abstände zwischen den Katastrophen immer größer wurden - und dass ich immer unversehrt blieb." Er zählt auf: die Befreiung seiner Familie 1945, die kommunistische Diktatur in Ungarn, der Aufstand 1956.
Andor Izsák: Brückenbauer, Menschen- und Musikfreund
Seit Oktober 2012 ist Andor Izsák offiziell im Ruhestand - doch setzt sich ein Brückenbauer wie Izsák niemals zur Ruhe. Zur Feier seines 80. Geburtstags in Hannover hat er wieder großzügig eingeladen. Wegbegleiter, Freunde, Vertreter der Stadtgesellschaft. Wahrscheinlich auch wieder eine ganze Schar von Ärzten, die ihm - nicht ohne ein Augenzwinkern verkündet - in diesem Jahr mal wieder das Leben gerettet haben.
Seine Fähigkeit, andere für sich und seinen Lebenstraum zu begeistern, hat ihm auch immer wieder Neider gebracht. Doch seine vielen Freunde sehen in ihm vor allem einen Brückenbauer. Einen Menschenfreund, der ein ganzes Leben eindrucksvoll gezeigt hat, wie Musik Menschen verbinden kann. "Für mich ist das Größte und Wichtigste, dass meine Musik in nichtjüdischen Institutionen, in Kirchen und Schulen lebt", sagt der Musikprofessor. "Ich will nicht übertreiben, aber es ist mir gelungen, diese Musik in die hochnäsige deutsche, elitäre Musikkultur hineinzuschmuggeln. Vielleicht hat man das gar nicht gemerkt. Wenn ich mit meinem Leben ein bisschen Erfolg hatte, dann damit, dass ich die jüdische liturgische Musik salonfähig gemacht habe."