Übersetzer zum Tod von Paul Auster: "Als ob es aus dem eigenen Kopf käme"
Paul Auster ist am Dienstag im Alter von 77 Jahren gestorben. Werner Schmitz hat viele Bücher des Schriftstellers aus dem Amerikanischen Englisch ins Deutsche übertragen. Austers größte Stärke sei es gewesen, den Prozess der Gedanken zu Papier zu bringen, sagt er im Interview mit NDR Kultur.
Werner Schmitz hat in den vergangenen 30 Jahren viele Werke Paul Austers für den Rowohlt Verlag ins Deutsche übersetzt. 2003 lernte er den Schriftsteller im Rom auch persönlich kennen.
Herr Schmitz, als Übersetzer sind Sie dem Schriftsteller wahrscheinlich auf eine ganz besondere, eine ganz eigene Art nah. Was hat die Nachricht vom Tod Paul Austers mit Ihnen gemacht?
Werner Schmitz: Es war natürlich sehr erschreckend, aber ich habe irgendwie auch damit gerechnet, dass es wahrscheinlich nichts mehr wird - auch wenn ich nichts Genaues wusste. Man hat die ganze Zeit nichts von ihm gehört, deswegen war es wahrscheinlich schlimmer, als man allgemein gedacht hat.
Haben Sie ihn auch mal persönlich kennengelernt?
Schmitz: Ja, einmal, 2003 in Rom.
Wie haben Sie ihn erlebt?
Schmitz: Ganz wunderbar. Das war nach einer Lesung, die er da hatte. Ich bin zu ihm hingegangen und dann hat er sich mit mir für den nächsten Tag verabredet. Wir haben uns einen ganzen Nachmittag unterhalten - das war wirklich sehr schön. Ich kann mich überhaupt nicht mehr an Einzelheiten erinnern, aber es ging zwei Stunden lang nur hin und her. Er ist ein sehr angenehmer Mensch gewesen.
Inwiefern vervollständigt so eine persönliche Begegnung das Puzzle, was man von einer Person als Bild hat?
Schmitz: "Vervollständigen" ist vielleicht der richtige Ausdruck. Es hat mir nichts Neues gebracht - es war nur der Gesamteindruck als Mensch, der mir sehr gefallen hat.
Schauen wir auf sein Werk. Was ist für Sie das Herausfordernde gewesen, die Texte von Paul Auster zu übersetzen?
Schmitz: Das unterscheidet sich eigentlich von Buch zu Buch, bei ihm waren es eher zwei Schaffensperioden: In den ersten Büchern, bis knapp vor "Sunset Park", hat er relativ normal geschrieben. Und dann wurden die Sätze auf einmal so lang. Spätestens ab "Sunset Park" hat er fürchterlich lange Sätze geschrieben, die manchmal vier, fünf Seiten lang waren. Da den Überblick zu behalten, war manchmal nicht so ganz einfach.
Wie erklären Sie sich das?
Schmitz: Ich kann mir das nur so erklären, dass er das plötzlich so wollte. Schwierigkeiten beim Übersetzen ergaben sich nur beim Thema Baseball, was fast in jedem seiner Bücher - zumindest am Rande - vorkommt, manchmal auch sehr intensiv, wie in "4 3 2 1" zum Beispiel. Ich habe mal von von Philip Roth "The Great American Novel" übersetzt, der ja nur im Baseball-Milieu spielt. Damals habe ich ein bisschen was dazu gelesen, aber man hatte ja kaum Möglichkeiten, etwas dazu im Fernsehen zu sehen oder sich diese ganze Baseball-Sprache zu eigen zu machen. Das war das, womit ich immer am meisten gekämpft habe bei den Übersetzungen.
Woran liegt es, dass sich so viele Menschen in Austers Gedankenwelt besonders verorten können?
Schmitz: Ich glaube, das liegt daran, dass er so schreibt, wie man eigentlich denkt. Er kann diesen Prozess der Gedanken so gut zu Papier bringen, dass viele Menschen sich davon direkt angesprochen fühlen, dass man das liest, als wenn es einem aus dem eigenen Kopf käme. Ich glaube, dass das die wichtigste Erklärung dafür ist.
Sie haben auch "Baumgartner" übersetzt, den kleinen Roman, der erst im vergangenen Herbst erschienen ist. Auch da geht es um Verlust: ein Mann, der seine Frau verloren hat. Wie viel von Paul Auster und der Situation, in der er sich zu dieser Zeit befunden hat, haben Sie in dem Buch wiedergefunden?
Schmitz: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er überhaupt schon von der Krebsdiagnose wusste, als er damit begonnen hat. Aber ansonsten natürlich sehr viel. Vielleicht kam es auch da mitten rein - das kann ja auch sein. Aber ich sehe nicht, dass er das im Hinblick auf seinen eigenen Tod oder so geschrieben hat.
Man merkt Ihnen an, wie sehr Sie das Ganze mitnimmt. Was können Sie tun, um für sich mit diesem Verlust klarzukommen?
Schmitz: Gar nichts. Ich kann hoffen, dass er noch irgendetwas in der Schublade hatte, was noch übersetzt werden muss. Aber sonst ist es jetzt vorbei mit Paul Auster.
Das Interview führte Jan Wiedemann.