Helgard Haug © Helgard Haug Foto: Mara von Kummer
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AUDIO: Theater im Team: Welche Vor- und Nachteile hat die Arbeit im Kollektiv? (7 Min)

Theater im Team: Welche Vor- und Nachteile hat die Arbeit im Kollektiv?

Stand: 03.04.2024 16:12 Uhr

Helgard Haug und ihr Kollektiv Rimini Protokoll wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Interview erklärt die Schauspielerin, warum Humor eine Fähigkeit ist, die man mitbringen muss, um in einem Team zu arbeiten.

Frau Haug, Sie haben sich mit Ihren Kollegen Stefan Kaegi und Daniel Wetzel im Jahr 2000 zusammengefunden. Warum sind Sie als Trio zusammengeblieben? Was reizt Sie an dieser Künstlergemeinschaft?

Helgard Haug: Wir hatten gar nicht so einen langjährigen Plan. Wenn man sich das jetzt retrospektiv anguckt, hört sich das so an, als wäre das ein gut ausgefeilter Plan gewesen, aber wir haben uns zusammengetan, weil wir eine Idee hatten, mit der wir uns gemeinsam für eine Ausschreibung beworben haben. Das war so ein Nachwuchs-Theaterfestival in Frankfurt, und wir haben gemerkt, dass wir uns mit ähnlichen Fragen beschäftigen: Wer steht auf der Bühne? Wir wollten also dieses Prinzip des dokumentarischen Theaters untersuchen, und anstatt uns für diese Ausschreibung Konkurrenz zu machen, haben wir gefragt: Warum machen wir das nicht zu dritt? Von da an ging es erstmal von Projekt zu Projekt weiter. Es folgten Einladungen und wir haben geguckt, ob uns das zu dritt interessiert. Es gab auch immer schon das Modell, dass man sich in anderen Konstellationen, auch mit Künstlern oder Künstlerinnen von außen zusammentun und Projekte mit denen planen kann.

Das heißt, das Arbeiten in der Gemeinschaft steht in jedem Fall im Vordergrund, egal in welcher Konstellation. Was sind die Vorteile?

Haug: Theater ist ja per se Teamwork, von daher ist das immer ein Arbeiten zusammen. Ich glaube, dass man das oft übersieht, auch beim Film, dass das nicht einzeln solistische Arbeiten sind, sondern dass das inspiriert ist vom gemeinsamen Ausprobieren, von sich befragen, auch von sich kritisieren. All das bietet natürlich ein Team, dass man sich nicht zurückzieht und dann das Werk der Öffentlichkeit übergibt oder sich denen aussetzt, sondern dass man das viel kleinteiliger gemeinsam erarbeitet. Das ist ganz klar einer der Vorteile.

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Es ist auch ein Vorteil, dass man zusammen stärker ist, dass man sich mit einer Sprache massiver durchsetzen kann, dass man sich gegenseitig schützt, auch vor Kritik, aber auch vor den Mühen, die es gibt, dass man sich unterstützt, ein solidarisches Prinzip entwickelt, wo es nicht darum geht, dass eine Person Karriere macht oder für etwas den Namen gibt, sondern dass es vielmehr um die Arbeit geht und was man damit aussagen möchte.

Haben Sie für diese Abstimmungsprozesse eine Art Regelwerk? Sagen Sie zum Beispiel, es muss immer eine Zweidrittelmehrheit sein, oder wenn einer dagegen ist, machen wir ein Thema gar nicht?

Haug: Die Auseinandersetzung, die Diskussion - wenn wir zu dritt arbeiten und Konzepte entwickeln, ist das natürlich ein ganz großer Teil davon. Es gibt Phasen, wo wir uns unglaublich inspirieren, wo ganz schnell Konzepte entstehen. Und dann gibt es eine sehr mühevolle Phase, wo man versucht, das zu realisieren und herauszukriegen, ob wir uns eigentlich richtig verstanden haben. Oft ist es ja so, dass man in so einem Ideenrausch denkt, dass wir vom gleichen reden und sich in der Umsetzung herausstellt: Die andere Person hat das ganz anders verstanden und hatte doch eine ganz andere Vision. Und da gibt es eine Phase des Abgleichens und des Ringens. Es sind viele Diskussionen, und es gibt nicht wirklich ein Regelwerk. Ich glaube, jeder merkt, wie wichtig eine eigene Idee ist, aber auch, wie stark die gewinnen kann, indem sie in der Diskussion noch mal geöffnet wird. Es gibt ganz klar die Leistung der Überzeugung, dass man die anderen mitnehmen muss, wenn man was machen möchte. Aber es gibt dann auch wieder das Überprüfen in der Praxis. Das heißt, nach dem vielen Diskutieren hat man vielleicht eine Entscheidung getroffen, und dann geht es in die Probe, in die Praxis. Ganz oft ist das noch mal so eine beschwingte und viel schnellere Phase, wo man dann gar nicht mehr so viel diskutiert, sondern sieht, ob es funktioniert oder nicht. Da haben wir, glaube ich, einen ähnlichen Riecher oder eine ähnliche Haltung. Es ist zum einen gut, dass man immer wieder anders drauf blickt und vielleicht andere Maßgaben hat, aber andererseits auch eine gemeinsame Sprache hat.

Gibt es auch mal richtig Streit? Ich denke, man kommt sicherlich oft auch an seine Grenzen, oder?

Haug: Absolut. Das ist auch nicht frei von Kränkungen, dass man denkt: Ich wollte das aber ganz anders. Das gibt es, glaube ich, bei allen Beteiligten. Ganz am Anfang unseres Teambuildings haben wir einen Berater gefragt, was er uns bei der Arbeit in kollektiven Strukturen empfehlen würde. Er meinte, diskutieren sei gut und man solle die Fragen auf jeden Fall ernst nehmen. Aber es würde sich auch nicht lohnen, sich über Ideen zu zerfleischen. Er hat auch gesagt: "Wenn Sie wirklich nicht mehr weiterkommen, dann werfen Sie eine Münze." Das haben wir tatsächlich öfter gemacht und halten das für einen sehr guten Tipp, weil es ja nicht unbedingt ums Recht haben geht, sondern darum, Sachen auszuprobieren. Das war oft eine gute Lösung. Die Diskussion muss es trotzdem geben, aber es schützt vor diesen großen Kränkungen, weil man dann einfach sagen kann: Die Münze hat entschieden - wir gehen jetzt erst mal da lang. Und dann merkt man während des Gehens, ob es stimmt oder nicht.

Würden Sie sagen, die Arbeit in der Gemeinschaft macht glücklich?

Haug: Ich könnte mir vorstellen, dass die Arbeit alleine unglücklicher macht. Die gemeinsame Arbeit bewahrt einen davor, sich zu versteigen und zu eng zu denken. Das ist schon ein glücklicher Zustand, in der Kommunikation und im Austausch zu bleiben, nicht aufs Rechthaben zu bestehen. Ich glaube auch, dass Humor eine Fähigkeit ist, die man mitbringen muss, um in einem Team zu arbeiten. Ich kann mir schon vorstellen, dass all das zu einer Art von Glücksgefühl führt.

Das Interview führte Julia Westlake.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 03.04.2024 | 16:30 Uhr

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