Cover:  Josephine Baker, Marcel Sauvage:  "Tanzen, Singen, Freiheit. Memoiren" © Reclam
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AUDIO: "Tanzen, Singen, Freiheit" - Die Buchkritik von Goetz Steeger (4 Min)

"Tanzen, Singen, Freiheit" - Die Memoiren der Josephine Baker

Stand: 26.03.2025 17:23 Uhr

Von den einen wurde sie gefeiert und von den anderen als moralische Bedrohung verachtet: Josephine Baker war die erste Schwarze internationale Star-Tänzerin.

von Goetz Steeger

Berühmt wurde Josephine Baker als Tänzerin, die das Paris der 1920er-Jahre mit ihrem extrovertierten Tanzstil aufmischte. Von den einen wurde sie dafür gefeiert und von den anderen als moralische Bedrohung verachtet. Ein paar Jahre später wurde sie eine ebenso erfolgreiche Sängerin und Schauspielerin. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, kämpfte sie als französische Agentin gegen die Nazis. Danach engagierte sie sich in ihrer ursprünglichen Heimat, den USA, in der Bürgerrechtsbewegung. Anlässlich ihres 50. Todestages am 12. April erscheinen jetzt erstmals ihre Memoiren in deutscher Sprache: "Tanzen, Singen, Freiheit".

Ein Leben zwischen Verehrung und Diskriminierung

Josephine Baker war 20, als sie sich das erste Mal mit dem Journalisten Marcel Sauvage traf. Obwohl sie der Gedanke, jetzt schon mit ihren Memoiren zu beginnen, amüsierte, fing sie direkt an zu erzählen. Zwischen den darauffolgenden Treffen lag mitunter ein ganzes Jahrzehnt. Die direkte Rede, in der das Buch geschrieben ist, gibt einem das Gefühl unmittelbar teilzuhaben - an einem Leben zwischen Verehrung und Diskriminierung, Luxus und Armut, und wie Josephine Baker dabei zu ihrer klaren humanistischen Haltung fand.

Größte Armut und der Rassismus in ihrer Geburtsstadt St. Louis prägten ihre Kindheit. Das Tanzen half nicht nur gegen die Kälte, es verschaffte ihr Anerkennung. Mit 16 ging sie nach New York, schlug sich am Broadway durch, dann das unverhoffte Angebot einer Karriere in Paris. Die Stadt geriet bei ihrer Art, Charleston zu tanzen, außer Rand und Band.

Ich lasse die Schultern im Fleisch kreisen wie Räder, meine Augen rollen wie Murmeln herum. Ich ziehe eine Schnute, gehe auf den Fersen und auf allen vieren, wann es mir passt. Ich schüttle alle Blicke ab. Leseprobe

 

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Hemingway und Picasso lagen ihr zu Füßen, wenn sie tanzte

Ihr sogenannter Danse Sauvage, der wilde Tanz im Bananen-Kostüm, wurde vom modernen Paris vergöttert. Künstler wie Hemingway oder Picasso lagen ihr zu Füßen - Konservative sahen sie hingegen als Bedrohung der Zivilisation. Auch ihr darauf folgender Triumphzug durch die ausverkauften Häuser Europas wird von Empörung begleitet.

In Wien - ausgerechnet in Wien -, einer Stadt, die in mancher Hinsicht die Schwester von Paris ist, wurden alle Glocken geläutet, um den Glaubenstreuen die Ankunft des leibhaftigen Teufels zu verkünden, des Dämons der Unmoral: Josephine Baker. Leseprobe

Längst war sie auch als Sängerin und Schauspielerin bekannt. "Wäre ich Weiß, würdet ihr mich dann mehr lieben?", sang sie in dem Chanson "Si j’étais blanche". Beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kämpfte Josephine Baker für Frankreich. Ihre Konzerte dienten jetzt der Tarnung. Sie beschaffte Informationen und war lange Zeit in Nordafrika stationiert. Am Ende des Krieges trat sie wieder auf, auch in Deutschland - etwa für die Überlebenden eines Konzentrationslagers. Sie tourte durch das vom Krieg gezeichnete Europa, um Trost zu spenden.

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Unsere Liebe begann beim Klang der Geigen, inmitten von Ruinen und auf improvisierten Bühnen. Leseprobe

Als sie 1948 zusammen mit ihrem Mann in die USA reiste, entsetzte sie der nach wie vor vorhandene Rassismus.

Sagen Sie mir einmal, was haben wir denn gemacht? Ich wollte im Krieg dienen, gegen die Deutschen, wegen ihrer Rassenpolitik. Und ihre Politik finde ich nun bei denjenigen wieder, die sie angeblich bekämpfen wollten. Leseprobe

Hier endet eigentlich das Buch. Von ihren anschließenden Errungenschaften erfährt man im Nachwort von der Kunsthistorikerin Mona Horncastle: Josephine Baker gab in Miami das erste Konzert, das Schwarze und weiße Menschen besuchen konnten. 1963 war sie die einzige weibliche Rednerin beim legendären Civil Rights March:

Ich möchte, dass ihr wisst, dass das der glücklichste Tag in meinem ganzen Leben ist. Ihr steht kurz vor dem Sieg, macht weiter, ihr könnt nichts falsch machen. Die ganze Welt steht hinter euch! Leseprobe

"Tanzen, Singen, Freiheit" von Josephine Baker und Marcel Sauvage, inklusive eines Essays von der Kunsthistorikerin Mona Horncastle ist im Reclam Verlag erschienen und kostet 26 Euro.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 26.03.2025 | 14:00 Uhr

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