Dayan Kodua: "Meine Kinder werden für die Mehrheit immer Ausländer sein"
Die Schauspielerin, Autorin und Verlegerin Dayan Kodua aus Schleswig-Holstein möchte mit ihren Geschichten Kinder dazu ermutigen, stolz auf ihre Identität zu sein. Im Interview erzählt sie, wie das gelingen kann.
Noch bis zum 30. März finden die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Unter dem Motto "Menschenrechte für alle" gibt es bundesweit tausende Veranstaltungen, die für ein respektvolles Miteinander und gegen Ausgrenzung werben. Auch Dayan Kodua ist mit zwei Lesungen dabei. Mit ihren Kinderbüchern setzt sie sich für Diversität und Selbstbewusstsein ein. Am 19. März liest sie in der Stadtbücherei Schwarzenbek im Rahmen der Aktionswochen aus "Wenn meine Haare sprechen könnten" und "Es ist doch nur Haut". Die Lesung ist kostenlos und für Kinder ab sechs Jahren geeignet.
Frau Kodua, Sie sind selbst mit zehn Jahren aus Ghana nach Deutschland gekommen. Ihr Vater lebte damals schon eine ganze Weile in Kiel, hat als Ingenieur gearbeitet. Wie war das damals für Sie, in einer überwiegend weißen Gesellschaft anzukommen?
Dayan Kodua: Es war natürlich ein Kulturschock. Wichtig war es, nicht dort zu bleiben in meinem Schock, sondern mich weiterzuentwickeln, die Sprache zu lernen und weiterzukommen.
Was war damals Ihre Strategie anzukommen, klarzukommen?
Kodua: Eine Strategie hatte ich nicht, Mit zehn war ich lost und wusste nicht wohin. Aber für mich war es ganz wichtig - und das ist auch das, was mein Vater mir und meiner Schwester mitgegeben hat -, als Erstes diese Sprache zu lernen. Er sagte: "Wenn ihr die Sprache lernt, dann habt ihr die Möglichkeit, euch zu entfalten. Ihr könnt draußen sein, ihr habt ein soziales Leben und vor allem könnt ihr dann entscheiden, was ihr sein wollt." Und und das war dann unser Fokus: die Sprache.
2001 sind Sie zur ersten und bis heute einzigen Schwarzen "Miss Schleswig-Holstein" gewählt worden. Was war das für ein Gefühl?
Kodua: Das war witzig. Eigentlich habe ich damals mitgemacht, weil ich gern den Urlaub nach Gran Canaria gewinnen wollte. Das war mein Ziel, mein Fokus. Das war auch ein Spaß: Ich habe damals gedacht: Ich bin ja so weiß, ich mache mit. Ich bin aus Kiel, Kieler Sprotte, dann mache ich einfach mal mit. Dass ich da so weit komme, zur "Miss Schleswig-Holstein" gewählt werde und den fünften Platz bei "Miss Germany" belege, damit habe ich nicht gerechnet.
Und viele andere auch nicht, oder?
Kodua: Nein, ich glaube niemand.
Sie leben in Hamburg, haben mittlerweile selber Kinder. Welche Erfahrungen machen die? Was hat sich verändert im Vergleich zu damals?
Kodua: Meine Kinder sind privilegierter als ich damals. Sie sind hier geboren, sie lernen die Sprache von Tag eins an. Insgesamt glaube ich auch, dass ich als Frau, als Mensch wahnsinnig viel dazugelernt habe, was ich meinen Kindern weitergeben kann. Die Ängste, die Schüchternheit, mit denen ich als Kind klarkommen musste - das müssen meine Kinder nicht. Ich bin total offen. Ich sage, wir müssen über alles reden, egal was es ist, egal wie schwierig, wie komisch. Das sind Sachen, die ich versuche, meinen Kindern mitzugeben, weil ich das als Kind nicht hatte. Aber nicht, weil meine Eltern das nicht wollten. Sie konnten nur das geben, was sie geben konnten - und dazu gehörte nicht, sich hinzusetzen und sich meine Wehwehchen anzuhören.
Am Mittwoch lesen Sie für Kinder im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Was möchten Sie Kindern mitgeben in Ihren Büchern?
Kodua: Für mich ist es das Wichtigste, dass die Kinder sich in den Büchern wiederfinden, egal wo sie herkommen. In dem Buch "Wenn meine Haare sprechen könnten" geht es darum, Grenzen zu setzen, und es ist dann egal, wo man herkommt. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, "nein" zu sagen, wenn sie etwas nicht möchten. Beim Buch "Es ist doch nur Haut" möchte ich mit den Kindern darüber reden, warum verschiedene Hauttöne existieren, dass Rassismus etwas ist, was von Menschen gemacht worden ist, dass die Kinder aber die Macht haben, das zu ändern, indem sie sich für andere Menschen einsetzen, indem sie lernen, dass wir alle gleich sind und dass die Hautfarbe nicht definiert, wer wir sind, ob wir nett, lieb oder freundlich sind.
Wissen Sie etwas darüber, wann Kinder anfangen, Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß zu machen?
Kodua: Ich glaube, das ist unterschiedlich, je nach dem, wie das Kind sozialisiert ist. Ich sage immer zu den Eltern: Wenn dein Kind in der Lage ist, einem anderen Kind zu sagen: "Mit dir spiele ich nicht, weil du so und so aussiehst" - dann ist das Kind auch bereit, über Rassismus zu erfahren. Es ist meine Verantwortung, mich hinzusetzen und mit meinem Kind darüber zu reden - das kann das Thema Rassismus sein, dass ein Kind vielleicht ein bisschen dicker ist oder eine Brille trägt.
Wie viel Sorge macht Ihnen die aktuelle politische Situation in Deutschland?
Kodua: Politik ist so eine Sache. Klar, das beschäftigt mich natürlich, weil ich hier aufgewachsen bin und meine Kinder hier geboren sind. Meine Kinder sind genauso deutsch wie ghanaisch, aber sie werden für die Mehrheit immer Ausländer sein - das ist nun mal so. Aber für mich ist es wichtig, mich selber so zu positionieren, dass ich meine Kinder motivieren kann, damit sie lernen, ihre Stimme einzusetzen, für sich selbst einzustehen. Wir können vielleicht nur als Kollektiv etwas verändern, aber ich als einzelne Person kann nur mit meiner Arbeit versuchen, die Narrative positiv zu verändern und zu hoffen, dass andere Leute das mitbekommen und das wiederum mit ihren Kindern umsetzen. Weil die Kinder, die heute lernen, dass Vielfalt selbstverständlich ist, sind diejenigen, die in zehn, 15 oder 20 Jahren Deutschland regieren werden. Aber Angst habe ich nicht. Es ist für mich nur wichtig, trotzdem darüber nachzudenken, wachzubleiben und meinen Kindern zu helfen, dass die ihre Mitte beibehalten und selber angstfrei bleiben.
Das Gespräch führte Franziska von Busse.
