Rassismus im Alltag nimmt auch in Hamburg zu
Deutschland ist politisch nach rechts gerückt, rechtsmotivierte Straftaten nehmen zu. Auch in Hamburg gibt es Probleme mit Rassismus. Drei bis vier rassistische oder diskriminierende Vorfälle sind 2024 nach Angaben der Beratungsstelle Empower täglich in Hamburg erfasst worden.
Sonya Kuwornu ist auf der Veddel aufgewachsen und lebt heute in Heimfeld. Rassismus kennt die schwarze Frau von klein auf, doch zuletzt sei es mehr geworden, erzählt sie. "Ich finde es wichtig, dass in Hamburg mehr zu dem Thema aufgeklärt wird. Ich glaube, Hamburg sieht sich sehr links - und erkennt nicht wirklich an, dass so etwas auch hier passiert", sagt Kuwornu.
Drei bis vier gemeldete Rassismus-Fälle täglich
Bis zu vier rechte, rassistische oder antisemitische Vorfälle pro Tag hat die öffentlich geförderte Beratungsstelle Empower im vergangenen Jahr gemeldet. Allerdings tauchen viele Fälle in der Statistik nicht auf, so wie der von Kuwornu und einem Kind, das sie als Familienassistentin betreut. Die beiden wurden im Kino rassistisch beleidigt.
Auf Tiktok beschrieb sie, wie erst das Kind und dann sie von einem Mann angegangen wurden. "Zu diesem Kind zu sagen, dass es ein Stück Scheiße sei und dass es in sein Land zurück gehen soll, das ist einfach nur frech", so Kuwornu in dem Videopost. "Ich möchte Menschen zeigen, dass sie sich nicht wohlfühlen sollten, so etwas sagen zu können", sagt sie dem NDR Hamburg Journal.
Mehr rechtsmotivierte Fälle in der Kriminalstatistik
Populistische Diskurse nähren Rassismus in Hamburg, so das Projekt Empower. Auch in der Kriminalstatistik haben sich in den letzten Jahren rechtsmotivierte Straftaten fast verdreifacht: von 544 Fällen im Jahr 2020 auf 1.350 im vergangenen Jahr. Die Polizei erklärt dazu auf Anfrage, dass sie davon ausgeht, dass dies unter anderem auf eine "erhöhte Sensibilisierung und eine zunehmende Zahl von Meldungen zu Hass und Hetze im Internet zurückgehen könnte".
Hetze gegen neue Bürgerschaftsabgeordnete
Mehria Ashuftah (SPD) wurde frisch in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Sie wird seit Monaten bedroht. Vier oder fünf Anzeigen hat die Rechtsanwältin seit ihrer Kandidatur erstattet. Sie hat nach eigenen Aussagen Hakenkreuze auf ihrem Auto vorgefunden oder Zettel mit der Aufschrift "Wir sind überall und wir kriegen dich". Der Staatsschutz ermittelt in diesen Fällen.
Menschen mit Migrationsgeschichte überlegen auszuwandern
Eine aktuelle Kurzstudie vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung zeigt Folgen des Rechtsrucks, sagt Ashuftah: "Jeder zehnte Mensch mit Migrationshintergrund überlegt auszuwandern. Und wenn diese Menschen alle gehen, dann haben wir ein ganz großes Problem. Denn diese Menschen sind auch Leistungsträger und nicht einfach nur Passdeutsche."
Auswanderung wegen Beschimpfungen und Schikane
Eine, die das bereits getan hat, ist Berry, die nur ihren Spitznamen nennen möchte. Sie lebt jetzt auf Madeira, in Portugal. "Ich beobachte aus der Ferne und ich bin froh darüber, dass ich nicht mittendrin bin", sagt sie. Würde sie sich zu viel damit beschäftigen, würde es ihr mental nicht mehr gut gehen, ist sie sich sicher. Auch sie erlebte rassistische Anfeindungen - in einem Fall ging es um wiederholte Schikanen und Beschimpfungen ihrer vorherigen Wellingsbütteler Nachbarschaft.
Beratungsstelle: "Hinschauen und Übergriffe melden"
Damit rechte Gewalt verfolgt werden kann, muss sie sichtbar sein. Empower ruft dazu auf, Übergriffe zu melden, hinzuschauen und sich mit Betroffenen zu solidarisieren.
Unter dem Motto "Menschenwürde schützen" finden bundesweit die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt - auch in Hamburg. Viele Vereine, Initiativen und Organisationen beteiligen sich mit Veranstaltungen, die über den gesamten März verteilt sind.
