Tag der Bildung: Wie kann Schule gerechter werden?
Wie kann Bildung gerechter werden? Lehrerinnen und Lehrer der Leonore-Goldschmidt-Schule in Hannover wünschen sich mehr staatliche Unterstützung und weniger bürokratische Hürden.
Der Bildungsbericht 2022 zeigt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bildungssektor: Kinder aus Haushalten mit einem höheren Durchschnittseinkommen haben bessere Chancen auf gute Noten als Kinder schlechter verdienender Eltern. Insbesondere, wenn diese eine Migrationsgeschichte haben.
Die Leonore-Goldschmidt-Schule in Hannover liegt in Hannover-Mühlenberg. Der Stadtteil gilt als sozialer Brennpunkt. Drei von vier Personen haben einen Migrationshintergrund, rund 21 Prozent beziehen Transferleistungen. "Wir haben einen hohen Bedarf an Sprachförderung durch Spracharmut", sagt Sprachkoordinatorin Claudia Bax, die ein Konzept für eine kultur- und sprachsensible Schule entworfen hat. "Spracharmut hat auch etwas mit Armut zu tun. Wir haben hier Kinder, die sind schlicht arm und denen wird abends nicht vorgelesen."
Sprachvielfalt als Chance begreifen
An der Schule werden 48 unterschiedliche Sprachen gesprochen. Auch eine Chance: "Wir sind von den Vorgaben des Kultusministeriums auf wenige Sprachen als Fremdsprache konzentriert", sagt der Stufenleiter der Sekundarstufe I, Joachim Rocholl. "Trotzdem bringen ganz viele Menschen eine zweite und teilweise auch eine dritte Fremdsprache mit. Die Frage ist: Wie ist da die Wertigkeit?"
Früher habe es Sprachlernklassen gegeben, in denen Schüler in ihrer Muttersprache geprüft werden konnten. Diese Klassen sind mittlerweile vom Kultusministerium eingespart worden. Gespart werde auch an Informationsangeboten zu sprachsensiblem Unterricht. "Ich habe vor drei Jahren mein Referendariat beendet und ich hatte einen Fachtext dazu bekommen, der mir eigentlich nichts näher gebracht hat", klagt Deutschlehrer Anton Bollig. "Alles, was ich gelernt habe, habe ich hier in der Praxis gelernt."
Die Leonore-Goldschmidt-Schule will kultur- und sprachsensibler werden. Für Deutschlehrer Anton Bollig müssen sich für mehr Bildungsgerechtigkeit aber auch die Strukturen ändern. "Dieses System muss sich weiterentwickeln: Man scheitert an bürokratischen Hürden, man scheitert an finanziellen Fragen, die Lehrkräfte haben volle Klassen", sagt er. "Das führt dazu, dass es ein Kreislauf ist, der sich eher ins Negative bewegt als zur Verbesserung." Dass Bildungsgerechtigkeit niedrigschwellig funktionieren kann, zeige etwa die Theater-AG der Leonore-Goldschmidt-Schule.
Kunstschule Pinx wünscht sich mehr staatliche Unterstützung
Bildung leistet auch die Kunstschule Pinx in Schwarmstedt in der Region Hannover. Leiterin Hildegard Strutz hat erst kürzlich das Bundesverdienstkreuz für ihre Arbeit bekommen. Sie wünscht sich mehr staatliche Unterstützung: "Bis jetzt ist das als institutionelle Förderung nicht der Fall - wir bekommen null Euro innerhalb unserer Kunstschule", sagt Strutz. "Die Teilnahme ist für 85 Prozent aller Kinder kostenfrei, aber das bedeutet einen unglaublichen Marathon an Anträgen."
Einer, der von Hildegard Strutz' Engagement profitiert hat, ist der 13-jährige Maher Al Daher. Er flüchtete vor sieben Jahren mit seiner Familie aus Syrien. "Als Flüchtlinge haben wir im Obdachlosenheim gewohnt und nach einer Zeit sind wir in die Nähe der Kunstschule umgezogen", sagt er. "Dann haben wir Frau Strutz kennengelernt. Und jetzt ist die Kunstschule schon seit sieben Jahren ein Teil von mir und hat mich geprägt." Die Kunstschule Pinx und die Leonore-Goldschmidt-Schule zeigen: Bildungsgerechtigkeit ist eine Haltung, die aus gelebtem und respektvollem Miteinander resultiert.