Buchcover: Julian Lennon: Life's fragile moments © te Neues

Bildband "Life's fragile moments": Keine große Fotokunst von Julian Lennon

Stand: 17.11.2024 06:00 Uhr

Beatle-Sohn Julian Lennon ist ein leiser Typ. Das Stille in der Kunst ist ihm wichtig. Aber wichtig ist auch die eigene Stimme des Künstlers, das Individuelle. Und da beschleichen unseren Rezensenten leise Zweifel beim Anblick seiner Fotos.

von Guido Pauling

Wolken zieren den Inneneinband des Buches, weiße Weichheit vor Himmelblau. Wolken fungieren auch als Trenner zwischen einzelnen Kapiteln, geben den Betrachtern Atempausen beim Blättern. Aufnahmen aus Kuba, von der Ödnis um den kalifornischen Salton See, aus New York City, Kenia, Istanbul und Äthiopien wechseln sich ab; Julian Lennon kommt viel herum in der Welt. Und nach jedem Abschnitt, jeder Fotoserie von drei, vier, sechs Aufnahmen, erstreckt sich ein doppelseitiges Wolkenbild, aufgenommen aus dem Flugzeug - der Ruheanblick eines Rastlosen.

"Ich habe die Angewohnheit entwickelt, viele Wolkenbilder zu machen", erzählt Lennon. "Wenn ich im Flugzeug reise, kann ich nicht gut schlafen, anders als viele andere Leute. Dann schaue ich auf die Wolkenformationen. Und es ergibt sich für mich ein Moment von Friede und völliger Reflexion." So schön, so nachvollziehbar. Und doch, scheint mir, sind Wolkenbilder aus dem Flugzeugfenster nicht der Inbegriff großer Fotokunst.

Julian Lennons Stärke: Einfühlsame Porträts

Julian Lennon kann fotografieren. Das zeigt sich besonders in seinen einfühlsamen Porträts. Der kleine Junge aus Äthiopien, Leinentuch locker um den Kopf gewickelt, beide Hände sanft gefaltet an seiner rechten Wange, dabei dieser klare, offene Blick aus schimmernden, schwarzen Augen - ein Bild voll Kummer, Klugheit und Seelentiefe. Fast ein Selbstporträt.

Oder die Musiker des Leonard-Cohen-Tribute-Konzerts "Tower of Song", aufgenommen hinter den Kulissen: Sting, milde lächelnd, selbstbewusst und doch gekommen, um einen anderen Songschreiber zu ehren. Elvis Costello, fast nur aufschimmernde Glatze, Brille, Lippen und Nase, der restliche Körper schwarz vor schwarzem Hintergrund. Lana del Rey, eine leise summende Erato mit schwarzem, strähnigen Haar - mit niedergeschlagenen Wimpern erfühlt sie die Aura des Moments.

Immer wieder gelingt es Julian Lennon, die Gefühle einer Person zu erspüren und im Gesichtsausdruck wie in der Körperhaltung zu zeigen. Darin liegt seine größte Stärke.

Eine große Schwarz-Weiß-Wunderkiste

Seine Städteaufnahmen dagegen sind kaum mehr als - okay. New York besteht aus Stein, Graffiti und Wasser; ist ansonsten menschenleer. Eine Chiffre für Großstadt-Einsamkeit? Istanbul dagegen: total überlaufen. Menschengedränge an der Straßenbahnhaltestelle, auf dem Kleidermarkt oder in der Hagia Sophia. Da staunt der Tourist. Und in Vietnam - fahren alle Moped. Na sowas.

Was manchem Betrachter wie eine große Schwarz-Weiß-Wunderkiste erscheint, zeigt nach Julian Lennons Ansicht seine Interessenvielfalt: "Das Buch 'Life’s fragile moments' ist mein erstes Fotobuch überhaupt. Ich habe mir gesagt: Viele Leute wissen gar nicht, dass ich ein Fotograf bin. Wenn möglich, würde ich der Öffentlichkeit gern ein paar Beispiele geben aus jeder Ecke, in der ich mal war. Es zeigt also das Beste vom Besten aus jeglicher Sammlung, jeglicher Fotoarbeit, die ich gemacht habe."

"Life's fragile moments": Ganz hübsch - mehr aber auch nicht

Der 240-Seiten-Band ist also ein Debüt, das zugleich als Retrospektive daherkommt mit Aufnahmen aus mehr als 15 Jahren. Sicherlich waren die zehn Minuten unmittelbar vor der Trauung von Schwimmerin Charlene Wittstock und Fürst Albert von Monaco mit die aufregendsten für den diskreten Fotografen, der den spontanen Auftrag als große Ehre begriff und zugleich zitterte, bloß nichts falsch zu machen. Doch davon das Titelbild des Bandes zu wählen, lässt Lennon leider auf den ersten Blick wie einen herkömmlichen Society-Fotografen erscheinen.

Vielleicht hätte er besser seine beeindruckenden Aufnahmen aus Kenia oder Kolumbien auf den Buchdeckel gedruckt und Bilder gezeigt, wie sie nicht viele andere auch machen.

Julian Lennons Bildband hinterlässt bei mir den gleichen Eindruck wie seine Platten: ganz hübsch, von einem feinen Kerl gemacht. Der aber - ob er nun einmal will oder nicht - einen großen Nachnamen trägt und vor allem deshalb Beachtung findet.

Life's fragile moments

von Julian Lennon
Seitenzahl:
240 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
teNeues
Bestellnummer:
978-3-96171-614-2
Preis:
70 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 17.11.2024 | 12:20 Uhr

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Fotografie

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