"Fritz Bauer Ultras" feiert Premiere am Staatstheater Braunschweig
Am Freitag hat mit "Fritz Bauer Ultras" am Staatstheater Braunschweig eine Inszenierung von Regisseur Christian Weiß Premiere gefeiert, die an den jüdischen Juristen Fritz Bauer erinnert. Ein Premierenbericht.
Die Zustimmung zur Demokratie sinkt in Deutschland. Das ist das Ergebnis derLeipziger Autoritarismus-Studie, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Was würde wohl Fritz Bauer dazu sagen?
Der ehemalige Generalstaatsanwalt von Frankfurt und Braunschweig galt als unermüdlicher Aufklärer nationalsozialistischer Verbrechen und prägte Anfang der 1960er-Jahre die bundesdeutsche öffentliche Debatte zum Zivilisationsbruch der Shoah - vor allem mit den international aufsehenerregenden Frankfurter Auschwitz-Prozessen gegen SS-Personal der Konzentrations- und Vernichtungslager.
Am Freitag hat am Staatstheater Braunschweig eine Inszenierung Premiere gefeiert, die nicht nur an den jüdischen Juristen erinnert, sondern die vor allem die Aufforderung, für Demokratie und Grundgesetz einzutreten, in die Gegenwart holen möchte.
"Sie können Paragraphen machen. Sie können Artikel schreiben. Sie können die besten Grundgesetze machen. Was sie brauchen, sind die Menschen, die diese Dinge leben. Kein Mensch schafft Demokratie. Es sei denn Sie und ich und wir - jeder für uns. Das ist die Aufgabe, die uns gestellt ist und man sollte hierbei den Mut nicht sinken lassen." Zitat von Fritz Bauer
Das war ein Appell des Juristen Fritz Bauer an die frühe bundesdeutsche Gesellschaft - nur wenige Jahre nach der nationalsozialistischen Diktatur. Es ist ein Aufruf, den Regisseur Christian Weiß mit seinem Schauspiel "Fritz Bauer Ultras" am Staatstheater Braunschweig erneuern will. Er meint, das Stück möchte dazu auffordern, sich im Kleinen, im Privaten zu engagieren: "Die Überforderung, die uns in großer Politik entgegenschlägt, vielleicht nicht als etwas zu nehmen, was in Lethargie mündet."
"Fritz Bauer Ultras": Ein Aufruf, das Grundgesetz zu leben
Musik, Geräusche und Wortbeiträge der Schauspielerinnen werden während der ersten Hälfte des anderthalbstündigen Stückes über ein Kunstkopfmikrofon von der Bühne aus übertragen. Es ist ein Spiel zwischen Ferne und Nähe - auch zu Bauers Biographie und Persönlichkeit.
"Einmal als Junge ging ich zu meiner Mutter und fragte: Mama, was ist eigentlich Gott?" Dialog aus dem Theaterstück
Das könne sie ihm nicht sagen, vielleicht könne sie ihm das niemals sagen, habe Fritz Bauers Mutter geantwortet. Auf der Bühne lautet die Antwort: "Aber es gibt einen Satz, den merke Dir. Der gibt die Antwort für das ganze Leben. Was du nicht willst, was man Dir tu‘, das füge auch keinem anderen zu."
Verzweiflung im Leben Bauers wird deutlich
Die Zerrissenheit und manchmal auch Verzweiflung im Leben des jüdischen Nachkriegsjuristen wird eindringlich deutlich. Einerseits seine Zugewandtheit zum Menschen - stets der Humanität verschrieben. Andererseits der Hass gegen ihn in Form von Drohbriefen oder Anrufen.
"Ein Feind Deutschlands und ein Handlanger von Juda." Dialog aus dem Theaterstück
Zitiert werden aber auch heutige Hasskommentare. "Weil wir auch in den Räumen, gerade in digitalen Räumen natürlich, diesen Hass wiederfinden", erklärt Regisseur Weiß. "Die Frage ist, wie begegnen wir diesem Hass? Und warum kommt es dazu, dass wir das heute eigentlich wieder so sehr haben, warum steigt das wieder so sehr an?" Der Regisseur gibt in "Fritz Bauer Ultras" fundierte Antworten - in Teilen sogar mit wissenschaftlichen Studien belegt.
Fritz Bauers Maske steht im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt steht aber - Fritz Bauer. Eine Maske, die seinem Antlitz ähnelt, wird zentral auf der Bühne angestrahlt; inmitten meterhoher schwarz-weißer Wände, ähnlich den Tapeten in Fritz Bauers früherem Büro. Mal in kaltes weißes flackerndes Licht getaucht, mal blau, mal lila, mal pink beleuchtet. Immer wieder gibt es Zitate von Fritz Bauer zur Demokratie, wie "Es bleibt nämlich nichts übrig, als dass wir einfach zusammenstehen und diese Fülle von Dingen tun."
Die fünf Schauspielerinnen drehen sich plötzlich um - zeigen erstmals ihre Gesichter. Wie geht man mit Fritz Bauers Erbe um, wenn man sein Ultra sein will?
Demokratie als Fitnessstudio
Im zweiten Teil stellen sich die fünf Darstellerinnen dieser Frage in bunten Kapuzenpullovern und Sporthosen, ähnlich gekleidet wie Fußball-Fans, Ultras eben. Sie entwickeln - wenn auch sprachlich streckenweise sehr abstrakt - nach und nach eine Utopie und fordern: "Unsere Demokratie ist schwach geworden. Also brauchen wir ein Fitnessstudio für sie!" Dort trainieren sie physisch und geistig - nämlich: andere Meinungen anzuerkennen, darauf neugierig zu sein, das Denken anderer zu verstehen und Mitgefühl zu entwickeln. Denn in der Demokratie kommt es auf jeden Einzelnen an, sagte schon Fritz Bauer.
Noch 14 Vorstellungen sind bis Mitte Februar am Staatstheater Braunschweig zu sehen. Hinzu kommt ein Rahmenprogramm mit Vorträgen und es gibt Fan-Artikel, um die Gemeinschaft der Fritz Bauer Ultras zu stärken.
"Fritz Bauer Ultras" feiert Premiere am Staatstheater Braunschweig
Die Inszenierung holt die Aufforderung des jüdischen Juristen Fritz Bauer, für Demokratie und Grundgesetz einzutreten, in die Gegenwart.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Staatstheater Braunschweig
- Hinweis:
- Konzept & Regie: Christian Weiß
Bühne & Kostüme: Andrea Jensen
Musik & Sounddesign: Antimo Sorgente
Choreografie: Verena Wilhelm
Mit: Mariam Avaliani, Ana Yoffe, Lina Witte, Saskia Taeger, Saskia Petzold