Spielzeug: Wie Geschlechterstereotype Jungen benachteiligen
In Geschäften fällt auf, dass Kinderspielzeugs strikt nach Geschlechtern getrennt ist. Der NDR Info Wissenschaftspodcast Synapsen zeigt, welche Rolle Eltern dabei spielen - und warum der Druck, geschlechtskonform zu spielen, für Jungen viel größer ist.
"Mein Kind kann sich aussuchen, womit es spielt." Diesen Satz würden wohl die meisten Eltern unterschreiben. Aber er stimmt nur bedingt. Das belegen die sogenannten Baby-X-Experimente. Sie laufen im Grunde immer ähnlich ab: Es gibt eine Spielecke und erwachsene Versuchspersonen. Die sollen mit den Kleinen dort spielen. Dazu liegt Spielzeug bereit. Zum Beispiel eine Puppe und ein Auto. Was die Versuchspersonen nicht wissen: Die weiblichen Babys werden so angezogen, dass sie wie männliche Babys aussehen und umgekehrt. Und es zeigt sich in diesen Experimenten, dass die Versuchspersonen den vermeintlichen Jungen eher das Auto als Spielzeug anbieten und den vermeintlichen Mädchen die Puppe.
Beeinflusst durch die Erwartungshaltungen der Gesellschaft
Eltern sind also nicht so unvoreingenommen, wie sie glauben. Und Kinder werden dadurch beeinflusst, erklärt Spielzeugforscher Dr. Volker Mehringer im NDR Info Wissenschaftspodcast "Synapsen". "Es spricht schon vieles dafür, dass der Kontakt mit Geschlecht in der Gesellschaft bei den Kindern ein Gefühl dafür weckt, welche Erwartungshaltungen bezüglich geschlechtskonformen Verhaltens an sie herangetragen werden und wie sie erfüllt werden sollen."
Viele Eltern reproduzieren also unbewusst Geschlechterklischees. Dazu kommt: Hinter den verschiedenen Produktwelten für Mädchen und Jungs steckt auch eine Marketingstrategie. "Mittlerweile finden wir viele Spielzeuge, die eine geschlechtsspezifische Gestaltung haben, ohne dass es das Spielzeug in irgendeiner Form nahelegen würde", so Mehringer. Als Beispiel nennt der Forscher das rosa Bobby-Car. "Da gibt es dann eben die Variante für Mädchen und die Variante für Jungen. In einer Zeit, wo sich Geschlechterrollen immer weiter öffnen und wir versuchen, Geschlechtergrenzen abzubauen, ist das natürlich eine widersprüchliche Gegenbewegung."
Kindliche Geschlechterrollen: Zwischen drei und sechs ziemlich konservativ
Eine Gegenbewegung, die aber von Kindern gerne angenommen wird, denn zwischen drei und sechs sind Kinder, was Geschlechterrollen angeht, in der Regel ziemlich konservativ. Sie müssen nämlich in dieser Zeit herausfinden, ob sie ein Mädchen oder ein Junge sind und was damit so alles zusammenhängt. Dr. Tim Rohrmann, Professor für Kindheitspädagogik an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim, macht ein Beispiel: "Ich bin sechs und kann nicht auf einem rosa Fahrrad fahren als Junge. Und zwar, weil das Junge-Sein noch nicht so gefestigt ist. Es kann aber sein, dass derselbe Junge zwei Jahre später ein rosa T-Shirt von seinem Fußballverein ganz toll findet."
Kinder wollen in einer bestimmten Phase also bestimmtes Spielzeug, weil es ihnen dabei hilft, sich als Junge oder Mädchen zu fühlen und in der jeweiligen Gruppe anerkannt zu werden. Aber werden Kinder durch die strikte Aufteilung in Mädchen- und Jungen-Spielzeug nicht auch eingeschränkt? Was ist, wenn ein Mädchen nichts anfangen kann mit der rosa Glitzerwelt, mit Baby Born und Disney-Prinzessinnen?
Barbie-Traumhaus für Jungs: "Eltern werden vielleicht nervös"
"Es ist spannend, dass wir uns durch dieses Rosa oft auf die Mädchen konzentrieren - aber die Jungs oft noch viel stärker davon betroffen sind", erklärt Spielzeugforscher Mehringer. Für ein Mädchen sei es vollkommen in Ordnung, auch mit einem blauen Spielzeug zu spielen. "Da kriegen sie teilweise noch ein Lob dafür: Cool, du spielst mit Lego oder du wünschst dir einen Baukasten, das finde ich eine super Sache. Wenn sich Jungs dagegen das große Barbie-Traumhaus zu Weihnachten wünschen, werden die Eltern vielleicht ein bisschen nervös und unsicher, ob sie ihrem Kind damit etwas Gutes tun. Oder ob es dann eventuell blöde Kommentare abbekommt."
Jungs seien somit deutlich mehr unter Druck, geschlechtskonform zu spielen, als Mädchen. Mehringers Rat: Eltern sollten cool bleiben und die Kinder ermuntern, auch Verhalten, Spiele oder Sportarten auszuprobieren, die nicht in die jeweilige Jungen- oder Mädchen-Ecke passen. Denn Kinder sind individueller, es die Spielzeugabteilung suggeriert.