Ein lächelnder Mann bei der Leipziger Buchmesse - Sebastian Krumbiegel © picture alliance / dts-Agentur |
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AUDIO: Sebastian Krumbiegel zu Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen (7 Min)

Sebastian Krumbiegel zu den Landtagswahlen: "Wir müssen uns wehren"

Stand: 02.09.2024 15:11 Uhr

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ist die AfD jeweils auf mehr als 30 Prozent gekommen. Welche Konsequenzen hat das, und was bedeutet das für Menschen, die in der Kultur tätig sind? Ein Gespräch mit dem Musiker Sebastian Krumbiegel.

Herr Krumbiegel, wie bewerten Sie diese Wahlergebnisse?

Sebastian Krumbiegel: Überrascht war ich überhaupt nicht, weil ich das so ähnlich habe kommen sehen. Um etwas Positives zu sagen: Ich bin froh, dass die SPD und die Grünen es geschafft haben, dass selbst die Linke es geschafft hat, über die Direktmandate ins Parlament zu kommen. Aber natürlich muss man ganz klar sagen: Eine rechtsextremistische Partei ist so stark, wie sie noch nie war. Sie hat sogar in beiden Landtagen die sogenannte Sperrminorität, das heißt, die können das erste Mal richtig politisch Macht ausüben, die können Dinge blockieren. Sie können Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter inthronisieren oder verhindern. Die sind richtig mächtig geworden, und das bereitet mir extremes Unbehagen. (Anm. der Redaktion: Wegen eines Softwarefehlers hat der Landeswahlleiter in Sachsen das Wahlergebnis mittlerweile korrigiert: Demnach haben CDU und AfD jeweils einen Sitz weniger, SPD und Grüne dagegen je einen Sitz mehr. Damit hat die AfD nun doch keine Sperrminorität. Mehr dazu bei tagesschau.de)

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Sie haben noch kurz vor der Wahl gesagt: "Ich habe keine Lust mehr, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen." Was bedeuten die Ergebnisse ganz speziell für Kulturschaffende?

Krumbiegel: Dass die Zeiten härter werden. Wir wissen genau, was diese Partei vorhat. Die sogenannte Alternative für Deutschland ist keine Alternative. Sie blockiert Sachen, sie ist ausgrenzend, sie ist nicht gut für die Kultur, sie ist nicht gut für Menschen mit Behinderungen, sie ist nicht gut für die Queer-Community. Sie ist eine gestrige Partei, und das bedeutet für uns alle, dass wir uns umgucken werden. Gerade die Vereine, die ich extrem unterstützt habe in den letzten Jahren, werden es alle schwerer haben, wenn so eine Partei so mächtig geworden ist. Sie wird nicht in die Regierung kommen, weil ich hoffe und glaube, dass Michael Kretschmer, mit dem ich nicht immer einer Meinung bin, zu seinem Wort stehen und nicht mit denen koalieren wird, genau wie Voigt in Thüringen hoffentlich auch nicht.

Sie kommen selbst aus Leipzig. Können Sie sich vorstellen, warum so viele Menschen sich für eine rechtsextreme Partei, wie Sie selbst gerade gesagt haben, entschieden haben?

Krumbiegel: Ich glaube, die gruselige Wahrheit ist, dass diese Leute nicht gewählt werden, obwohl sie solche völkischen, rassistischen Inhalte transportieren, sondern weil sie das transportieren. Das macht mir Sorgen, das macht mir Angst. Natürlich muss man in diesem Zusammenhang immer wieder betonen, dass die Politik, die gerade gemacht wird, auch Fehler macht. Es wird zurzeit aber extrem viel auf die Politik in Berlin geschimpft, was ich 'too much' finde, weil sie auch einen Krieg zu managen haben, der droht, Europa zu überziehen. Allgemein hat sich die Welt sich extrem verändert, sie ist schwieriger geworden, und damit muss man irgendwie klarkommen. Ich glaube, viele Leute sind enttäuscht von der Regierung, aber das ist nur ein geringer Teil. Ich habe gestern gehört, dass ein Viertel der Wählerinnen und Wähler der sogenannten AfD richtige Hardcore-Nazis sind, ein Viertel sind rechts, und die anderen sind sogenannte Protestwähler. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Ich glaube, viele Leute wählen die wirklich, weil sie so einen Scheiß erzählen.

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In knapp drei Wochen kommt Ihr Soloalbum raus mit dem Titel "Aufstehen, weitermachen". Auf dem Cover sind Sie mit geballten Fäusten zu sehen, als wollten Sie in einen Boxkampf ziehen. Was ist jetzt eine angemessene Reaktion auf die Wahl, gerade vor dem Hintergrund dieser Plattenveröffentlichung?

Krumbiegel: Ja, ich habe geballte Fäuste, aber ich lächele dabei, und ich habe einen Ring auf, auf dem "peace" steht. Ich weiß, dass die Zivilgesellschaft jetzt in der Pflicht ist. Wir müssen uns wehren gegen diese Art von Politik und gegen diese Inhalte. Und da ist die Zivilgesellschaft stärker, als sie manchmal denkt. Ich kann in diesem Augenblick darüber schwadronieren, kann mein Unbehagen, meine Meinung, auch meine Angst ausdrücken, die ich wirklich habe. Ich kann Songs darüber schreiben und habe auch schon etwas drüber geschrieben. Ich war im November letzten Jahres in Thüringen beim sogenannten SS-Helden-Gedenkmarsch, wo SS-Soldaten gehuldigt wurden, die damals ihr Unwesen getrieben haben. Da stand Tommy Frenck in der ersten Reihe, das ist ein berühmt-berüchtigter Neonazi aus Thüringen, und die sind da mit Knüppeln und Fackeln durch die Nacht gelaufen und haben ihre Inhalte auf Transparenten vor sich hergetragen. Darüber habe ich zum Beispiel das Lied gemacht: "Der Führer hätte sich gefreut". Es ist die Frage, wie man damit umgehen kann, und ich finde, man sollte auch versuchen, über diese Leute zu lachen. Man sollte nicht immer nur wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und Angst haben, sondern man sollte auch mal sagen: "Hey Leute, fuck you, ihr habt hier nichts zu melden! Wir sind mehr als ihr, und wir möchten nicht, dass ihr hier noch mehr zu sagen habt!" Dass das gestern in Thüringen und Sachsen ein Einschnitt, dass das eine historische Wahl war, damit müssen wir umgehen, aber wir haben eine Menge Kraft, wir können eine Menge tun, und wir können uns gegen diese Leute wehren.

Das Interview führte Keno Bergholz.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 02.09.2024 | 08:10 Uhr

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